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Straße der Toten

Titel: Straße der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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der Reverend ein leckeres Steak direkt vor ihrer Nase. Schließlich ging sie davon, umrundete die Kirche auf der Suche nach einem besseren Weg hinein. Als sie weg war, sah der Reverend den Indianer.
    Er ging mitten auf der Straße und trug eine Kiste auf der rechten Schulter. Der Regen schien vor ihm zurückzuweichen.
    Calhoun (der aus einem anderen Fenster geschaut hatte) wandte sich ab, fiel auf die Knie und fing an zu beten.
    Die Menge der Toten teilte sich vor dem Indianer, und der Indianer blieb vor der Kirchentreppe stehen und stellte die Kiste dort aufrecht hin. Er nahm den Deckel ab, sodass die Leiche darin zum Vorschein kam.
    »Seine Frau – oder was von ihr noch übrig ist«, sagte Doc, der neben dem Reverend stand.
    Der Indianer wandte sich der Kiste zu, nahm den Lederriemen mit den Ohren von seinem Hals und zog ihn der Leiche über den Kopf. Dann küsste er die schwärzlichen, leblosen Lippen und sah wieder zur Kirche hin.
    Immer mehr Tote kamen die Straße entlanggelaufen, unter ihnen, ohne Gesicht, der Sheriff – und Caleb, der seine Gedärme und seinen halb abgekauten rechten Fußknöchel hinter sich herzog.
    Der Reverend und der Indianer maßen einander mit Blicken, und Jeb stellte überrascht fest, dass ihn eine Welle des Mitleids mit dem roten Mann überkam. Auch er wusste, wie es war, einen geliebten Menschen zu verlieren, wenn auch in seinem Fall lediglich Gefühle verletzt worden waren. Soweit er wusste, waren in seiner Familie (aus der seine Schwester allerdings bestimmt ausgestoßen worden war) alle am Leben und wohlauf.
    Nun standen sie sich hier gegenüber: Er als Vertreter Gottes, des Guten, der Indianer als ein Werkzeug des Bösen, eine Schachfigur des Teufels. Zwei verfeindete Mächte vor dem Entscheidungskampf.
    Allerdings empfand der Reverend kein Gefühl moralischer Überlegenheit, und für ihn war der Indianer keineswegs nur schlecht und böse.
    Der Reverend drehte sich zu Abby um. Sie versuchte ihn anzulächeln, doch ihre Gesichtsmuskeln wollten ihr nicht so recht gehorchen. Da durchzuckte den Reverend ein Gedanke, bei dem er sich noch ein bisschen schwächer, aber auch ein bisschen menschlicher fühlte. Wenn er mit Abby doch nur das Bett geteilt, sie im biblischen Sinne gekannt hätte! Er fand, zwei Menschen, die sich liebten und die dem Tod entgegengingen, sollte diese Erfahrung vergönnt sein. Daraus würde nun nichts mehr, außer sie überlebten. Er hatte Gottes Gesetze geachtet, nicht aber auf den Ruf seines Herzens, und jetzt regten sich Zweifel in ihm, ob er richtig gehandelt hatte.
    Er sah zu David hinüber. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich ihm verbunden, als wäre er sein eigener Sohn.
    Der Junge saß auf einer Kirchenbank und hielt sich an einer Schrotflinte fest. Sein Gesicht und seine Haare starrten vor Schmutz, und eine Welle des Mitgefühls und der Liebe entströmte dem Reverend und umfing den Jungen.
    David, der diese Gefühle vielleicht wahrgenommen hatte, drehte sich zum Reverend herum und lächelte zaghaft, kaum mehr als Abby es vermocht hatte.
    Der Reverend wandte sich wieder dem Fenster zu und schaute hinaus. Der Indianer stand immer noch da und blickte zu ihm herein, als wolle er mit seinen Augen ins Innere des Reverend vordringen.
    Der Reverend sah weg. Zum fünften Mal öffnete er den Lauf seiner Schrotflinte, um sich zu vergewissern, dass sie geladen war. Dann überprüfte er seinen Revolver, ebenfalls zum fünften Mal.
    Er lehnte das Gewehr an die Wand, steckte den Revolver in seine Gürtelschärpe, ging zu Abby hinüber und nahm sie in die Arme. »Ich liebe dich«, sagte er unvermittelt. »Was auch geschehen mag, ich liebe dich.«
    Sie legte ihre Waffe beiseite und erwiderte seine Umarmung, küsste ihn lang und fest – ein Kuss, der Liebe bedeutete, vielleicht auch Lebewohl.
    Denn der Augenblick der Wahrheit rückte näher.
    Drei
    Die Toten setzten sich in Bewegung. Zuerst ganz langsam. Sie kamen die Stufen herauf, packten die Gitterstäbe vor den Fenstern und streckten die Hände hindurch, um die Bretter dahinter zu berühren. Ihre Finger bohrten sich durch Risse im Holz und zerrten daran, zogen sich wieder zurück.
    Die Verteidiger der Kirche bezogen in dem breiten Mittelgang vor der Kellertür Stellung, den Blick auf die versperrten Türflügel gerichtet. Der Reverend und Doc standen Seite an Seite. Einen halben Schritt links hinter dem Reverend stand David, und rechts neben Doc stand Abby, und genau in der Mitte hinter ihnen allen stand Calhoun,

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