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Straße der Toten

Titel: Straße der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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Timer setzte seine Geschichte fort.
    »Dieser Bienenzüchter, Gimet, der war kein guter Mensch. Niederträchtig, das haben die Leute über ihn gesagt. Ich kannte ihn und hab ihn auch nicht leiden können. Hab mal gesehn, wie er ’nem kleinen Hund mit ’nem Messer den Schwanz abgeschnitten hat, nur so zum Spaß. Der Junge, dem der Hund gehörte, wollte sich rächen. Gimet hat dem Jungen mit seinem Messer den Arm zerschnitten, und keiner hat was dagegen unternommen. Hier draußen herrscht nicht wirklich Recht und Ordnung. Keiner war so mutig, ihm die Stirn zu bieten, auch ich nicht. Dabei hat er noch viel schlimmere Dinge getan. Hat sogar ein paar Männer umgebracht und behauptet, es wär Notwehr gewesen. Vielleicht war’s das auch, keine Ahnung. Aber Gimet war dauernd in irgendwas verwickelt, was immer so endete, dass jemand tot war oder verletzt oder gedemütigt.«
    »Scheint so, als könnte unser Bill hier glatt sein Bruder sein«, sagte der Deputy.
    Old Timer schüttelte den Kopf. »Nie im Leben, der kleine Dreckskerl würde nicht mal als Pickel am Arsch vom alten Gimet durchgehn. Wie auch immer, Gimet hauste in so ’nem kleinen Verschlag nah bei der Friedhofsstraße. Er hielt sich Bienen und hat den Honig an die Leute in der Gemeinde weiter oben an der Straße verkauft. Man könnte das Nest wohl auch ’ne kleine Stadt nennen. Heißt jedenfalls Schow, weil da oben mal ein Kerl namens Schow gelebt hat. Der wurde von seinen eigenen Schweinen gefressen. Ist im Stall aus den Latschen gekippt, während er die Schweine gefüttert hat. Die haben ihn dann in Stücke gerissen. An der Stelle, wo Schow aufgefressen wurde, haben sie einen Laden gebaut, und daher hat der Ort seinen Namen. In diesen Laden hat Gimet seinen Honig gebracht, zum Verkaufen. Auch wenn er ein Scheißkerl war, der Honig war der beste, den ich je gegessen hab. Hätt jetzt auch gern welchen. Der war dunkel und lecker, und süßer als Zucker. Vielleicht war das ein Grund, warum er mit seinen Taten immer davongekommen ist. Die Leute haben was gegen Morde und so, aber auf ihren Honig lassen sie nichts kommen.«
    »Führt die Geschichte noch irgendwohin?«, fragte Bill.
    »Wenn’s dir nicht passt, wie ich erzähl, dann stell dir doch mal vor, wie der Strick sich um deinen Hals zusammenzieht. Dann hast du was zum Nachdenken, Klugscheißer.«
    Bill grunzte und drehte sich auf dem Holzklotz zur Seite, als würde ihn das alles gar nicht interessieren.
    »Wie gesagt, Honig hin oder her, irgendwann läuft jedes Fass über. Er hat ein kleines Mädel namens Mary Lynn Twoshoe entführt. Sie war halb Indianerin, eine echte Augenweide. Haare so schwarz wie am Grund eines Brunnens, und Augen in derselben Farbe. Sie hatte genauso zarte Gesichtszüge wie die Schauspielerinnen vom Theater, die man auf so Bildern sieht. Keine eins fünfzig groß, und ihre Haare flossen ihren ganzen Rücken runter. Ihr Vater war schon tot, den hat die Syphilis geholt. Ihrer Mutter ging’s auch nicht so gut, die war kränklich und so. Die hat Besen aus Stroh und Ästen gemacht und verkauft. Hatte ’nen kleinen Garten und ’n Schwein. Damals war Mary Lynn wohl dreizehn, vielleicht vierzehn. Viel älter kann sie nicht gewesen sein.«
    »Wenn du ’ne Geschichte erzählst«, unterbrach ihn Bill, »bleib wenigstens bei der Sache.«
    »Also interessiert’s dich doch«, sagte Old Timer.
    »Hab ja nichts anderes zu tun«, sagte Bill.
    »Fahren Sie fort«, bat Jebidiah. »Erzählen Sie ruhig weiter von Mary Lynn.«
    Old Timer nickte. »Gimet hatte die Kleine gesehn, als sie die Besen ihrer Mama in den Laden brachte. Hat ihr aufgelauert, sie geschnappt und aufs Pferd gezerrt. Sie hat geschrien und getreten, aber er hat sie wie ’n Sack Mehl aufgeladen und ist mit ihr nach Hause geritten. Mack Collins, der Ladenbesitzer, kam raus und wollte ihn aufhalten. Na ja, er hat zu ihm gesagt, er soll das doch lassen. Hab ich jedenfalls so gehört. Viel mehr hat er wohl nicht unternommen, aber ich kann’s ihm nicht verdenken. Mit Gimet hat sich keiner angelegt. Jedenfalls sagt Gimet zu Mack: ›Gib ihrer Ma ’n großen Topf Honig. Sag ihr, der ist für ihre Tochter. Ich leg sogar noch ein oder zwei Töpfe drauf, wenn das Fleisch hier so zart ist, wie ich denk.‹ Dann klatscht er Mary Lynn auf den Arsch und reitet mit ihr davon.«
    »Gefällt mir, der Kerl«, sagte Bill.
    »Langsam reicht’s mir mit dir«, sagte Jebidiah. »Ich schlage vor, du hältst den Mund, sonst zieh ich dir meinen Revolver

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