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Straße der Toten

Titel: Straße der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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über den Schädel.«
    Bill funkelte Jebidiah an, doch der starre Blick des Reverend war genauso dunkel und bedrohlich wie die Gewehrläufe von Old Timers Flinte.
    »Die Geschichte ging ziemlich übel aus«, fuhr Old Timer fort. »Gimet schleppte das Mädel in sein Haus und nahm sie sich vor. Und zwar so oft, dass er sie damit fast umbrachte. Dann ließ er sie laufen. Oder er war so blau, dass sie abhauen konnte. Sie rannte zurück, die Friedhofsstraße lang, und sie schaffte es sogar noch bis in die Stadt. Sie blutete stark, weil Gimet sie so hart rangenommen hatte, und brach schließlich zusammen. Einen Tag lang steckte noch etwas Leben in ihr, aber dann starb sie, wegen dem hohen Blutverlust. Ihre Mutter ritt, obwohl sie krank und schwach war, auf ’nem Esel zum Friedhof. Wie gesagt, sie war Indianerin und kannte indianische Rituale, und sie wusste auch von den alten Göttern, die nicht die Götter von ihrem Volk waren.
    Sie hat Zeichen in die Friedhofserde gemalt. Weiß nicht genau, was sie da alles getan hat, aber sie hat es auf einem der alten Gräber getan. Zuletzt hat sie sich selbst die Kehle durchgeschnitten und ist da gestorben. Ihr Blut lief über das Grab und auf die Zeichen, die sie gemalt hatte.«
    »Ich versteh nicht, was ihr das gebracht haben soll«, sagte der Deputy.
    »Vielleicht ja gar nichts. Aber die Leute hier sehen das anders. Der ganzen Gemeinde, die so lang unter Gimet gelitten hatte, wurde es jetzt zu viel. Alle zusammen gingen sie zu seiner Hütte, um ihn aufzuknüpfen, zu erschießen oder was auch immer. Als sie bei ihm ankamen, lag er aber schon tot vor seiner Hütte. Die Augen waren ihm ausgerissen oder weggeschossen worden, und jemand hatte ihm die Haut vom Kopf abgezogen. Übrig war nur der nackte Schädel mit ein paar Haaren dran. Sein Brustkorb war aufgerissen und leer – da waren nur noch Knochen übrig. Wo vorher sein Herz gewesen war, hatten sich jetzt seine Bienen eingenistet. Die kamen aus dem Loch in seiner Brust geflogen, aus dem Mund, aus den Augenhöhlen und aus der Nase, also da, wo die Nase vorher gewesen war. Wenn sie ihn umgedreht und ihm die Hose runtergezogen hätten, dann wären ihm bestimmt auch welche aus dem Arsch rausgeflogen.«
    »Wie kommt’s eigentlich, dass du nicht mit dabei warst?«, fragte Bill. »Wieso hast du von den ganzen Sachen nur gehört?«
    »Weil ich ein Feigling war, wenn’s um Gimet ging«, gab Old Timer zu. »Darum war ich nicht dabei. Hab mir danach geschworen, dass ich nie wieder ein Feigling sein will, ganz egal, was passiert. Ich hätte mit bei den Leuten sein sollen. Obwohl ich mir in die Hosen geschissen hab vor Angst. Na ja, jedenfalls war er tot, und die Bienen waren alle in ihm drin. Dann sind die Leute irgendwie durchgedreht und haben der Leiche die Kleider vom Leib gerissen, sie mit den Füßen an ein Pferd gebunden und die Leiche durch die Brombeersträucher geschleift. Die Bienen sind wie wild um ihn rumgebrummt und aus ihm rausgeflogen. Das war nicht richtig, was die Leute da getan haben. Aber wenn ich dabei gewesen wär, wär ich vielleicht auch verrückt geworden, bei den ganzen furchtbaren Dingen, die er angerichtet hat. Sie haben ihn auf den Friedhof geworfen und ihn dort verrotten lassen. Die Mutter des Mädchens haben sie mitgenommen, um sie an einem besseren Ort zu begraben.
    Nur wenige Nächte später ging es dann los. Die Leute haben Gimet wiedergesehen. Er ist nachts rumgespukt, wenn der Mond mindestens halb voll war, oder bei Vollmond wie heute. Viele Leute haben ihn gesehn. Er ist die Straße langgetorkelt und hat sie verfolgt, wenn sie mit den Pferden da langgeritten sind. Hat sich an den Schwänzen der Pferde festgehalten, wenn er sie zu fassen kriegte, und hat versucht, Pferd und Reiter niederzuringen oder sich aufs Pferd zu ziehn. Hab gehört, die Bienen waren immer noch in seiner Brust. Bienen so schwarz wie Fliegen sind aus ihm rausgeflogen und wütend um ihn rumgeschwirrt. Immer mehr Leute sind auf dieser Straße einfach verschwunden. Es heißt, Gimet hat sie sich geschnappt.«
    »Das ist doch alles Pferdescheiße«, sagte der Deputy. »Nichts für ungut, Old Timer, Sie sind schon in Ordnung, und ich bin Ihnen für Ihre Gastfreundschaft dankbar. Aber ein Geist, der hinter den Leuten her ist, das kauf ich Ihnen nicht ab.«
    »Müssen Sie auch nicht. Ich glaub ja selber nicht, dass es ein Geist ist. Aber ich denk, die Mutter des Mädchens hat irgendwas damit zu tun. Sie hat die alten Götter beschworen und

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