Straße der Toten
hin, dass sein Rücken die heißen Mauersteine nicht mehr berührte, und sagte: »Ich werd dem Deputy den Schwanz abschneiden, und dann komm ich damit zurück, und du darfst ihn in die Pfanne werfen und aufessen.«
»Erst scheißt du ’nen Haufen, und dann fällst du rückwärts rein«, sagte Old Timer. »Das ist alles, was du kannst.«
Als sich die Stimmung wieder etwas beruhigt hatte, wandte sich der Deputy noch einmal an Old Timer. »Gibt es keinen schnelleren Weg?«
Nachdem er kurz nachgedacht hatte, antwortete Old Timer: »Keinen, den Sie nehmen sollten.«
»Was soll das heißen?«, fragte der Deputy.
Ganz langsam entspannte Old Timer die Hähne seiner Schrotflinte und lächelte währenddessen zu Bill hinüber. Dann blickte er den Deputy an und sagte: »Da gibt’s noch die Straße der Toten.«
»Und was stimmt mit der nicht?«
»Allerhand. Früher hieß sie Friedhofsstraße. Aber vor ein paar Jahren wurde sie umbenannt.«
»Erzählen Sie uns davon, Old Timer«, sagte Jebidiah, dessen Interesse geweckt war.
»Ich bin keiner, der an so ’n Unsinn glaubt, aber da gibt’s eine Geschichte, die ich sozusagen aus erster Hand gehört hab.«
»Eine Schauergeschichte, wie schön«, sagte Bill.
»Wie viel Zeit würde ich auf dieser Straße nach Nacogdoches sparen?«, fragte der Deputy.
»Fast einen Tag«, antwortete Old Timer.
»Verdammt, dann muss ich diese Straße nehmen.«
»Sie zweigt nicht weit von hier ab, aber das würde ich Ihnen nicht empfehlen. Ich hab zwar nicht viel für Jesus übrig, aber ich glaub an Geister und so was. Hier in dieser öden Gegend erlebt man mitunter merkwürdige Dinge. Es gibt Götter, die nichts mit Jesus oder Moses zu tun haben. Die sind viel älter. Hab die Indianer von ihnen reden hören.«
»Ich fürchte mich nicht vor indianischen Göttern«, sagte der Deputy.
»Kann sein. Aber sogar den Indianern sind diese Götter nicht ganz geheuer. Die sind um vieles älter als das Indianervolk selbst. Sie verehren lieber ihre eigenen Gottheiten und versuchen, diese anderen Götter möglichst nicht zu vergraulen.«
»Und wieso soll diese Straße anders als die anderen sein?«, fragte Jebidiah. »Was hat das mit uralten Gottheiten zu tun?«
Old Timer grinste. »Da wittern Sie eine Herausforderung, was, Reverend? Sie wollen beweisen, wie mächtig Ihr Gott ist! Ich wette, wenn Sie nicht Prediger wären, dann wären Sie Revolverheld. Aber vielleicht sind Sie ja beides. Ein Revolverprediger.«
»Ich halte nicht sonderlich viel von meinem Gott«, sagte Jebidiah. »Aber er gab mir einen Auftrag. Das Böse auszumerzen. Was in den Augen meines Gottes böse ist. Wenn diese Götter also böse sind und auf meinem Weg liegen, dann muss ich ihnen entgegentreten.«
»Sie sind böse, glauben Sie mir«, sagte Old Timer.
»Erzählen Sie uns von ihnen«, bat Jebidiah.
»Gil Gimet war Bienenzüchter«, begann Old Timer seine Geschichte. »Er machte Honig und lebte abseits der Straße der Toten, die damals noch Friedhofsstraße hieß, weil da eben ein Friedhof ist. Da gibt’s einige alte spanische Grabstätten. Manche sagen, die sind von den Konquistadoren, die hierhergekommen, aber nicht wieder von hier weggekommen sind. Auch Indianer liegen da begraben. Frühe christliche Indianer, nehm ich an. Jedenfalls hab ich dort Grabsteine und Kreuze mit indianischen Namen gesehn. Mischlinge vielleicht. Hier in der Gegend wird wild durcheinander geheiratet. Na ja, jedenfalls sind dort ’ne Menge verschiedener Leute begraben. Dem Boden ist es gleich, welche Hautfarbe du hast, wenn du einfährst, am Ende werden wir doch alle zu Dreck.«
»Teufel auch«, sagte Bill. »Du riechst ja jetzt schon wie alter Dreck.«
»Mach nur so weiter, Kleiner, und dir wird bald der Leichenbestatter den Arsch abwischen.« Old Timer spannte erneut die Hähne seiner Schrotflinte. »Die Waffe könnte versehentlich losgehn. So was passiert, und wer würde schon Fragen stellen?«
»Ich bestimmt nicht«, meinte der Deputy. »Für mich wär’s einfacher, du wärst tot, Bill.«
Bill schaute zu Jebidiah. »Aber dem Reverend wär das bestimmt nicht egal, oder, Reverend?«
»Mir ist es ziemlich egal, was mit dir passiert. Deine ganzen Untaten haben zwar nichts mit mir zu tun. Aber ich bin auch kein Mann des Friedens oder der Barmherzigkeit. Wir sind alle große Sünder, und vielleicht verdient keiner von uns Vergebung.«
Bill sackte ein wenig in sich zusammen. Offenbar hatte niemand auch nur das Geringste für ihn übrig. Old
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