Straße der Toten
muss.«
»David.«
»Wenigstens hast du einen anständigen biblischen Namen.«
»Nutzt mir aber nix.«
»Nützt dir aber nichts.«
»Hab ich doch gesagt, verdammt. Regen Sie sich nur nicht auf.«
»Ich meine deine Ausdrucksweise. Es heißt NICHTS. NIX ist schlechtes Englisch.«
»Sie reden aber komisch.«
»Das Kompliment gebe ich gern zurück.«
»Sie sehn wie ’n Prediger aus, außer dass Sie ’ne Knarre haben.«
»Ich bin sehr wohl ein Prediger, und mein Name ist Jebidiah Mercer – für dich Reverend Jebidiah Mercer. Striegelst du bis morgen vielleicht noch irgendwann mein Pferd?«
Der Junge wollte gerade etwas erwidern, als ein großer Mann in Overall und Lederschürze und mit missbilligendem Gesichtsausdruck aus der Pferdestation zu ihnen heraustrat. Es entging dem Reverend nicht, dass der Junge erstarrte.
»Schwafelt der Kleine Sie in Grund und Boden, Mister?«, fragte der Mann.
»Wir haben uns gerade darauf geeinigt, dass er mein Pferd striegelt. Sind Sie der Stallbesitzer?«
»Richtig. Joe Bob Rhine. Hat er Ihnen zwei Bits dafür abverlangt, wie es sich gehört?«
»Alles in Ordnung.«
David musste schlucken und sah den Reverend lange an.
»Der Junge kommt nach seiner Mutter«, sagte Joe Bob. »Ein Träumer. Man muss ihm Respekt einbläuen. Hat er nämlich nicht gerade mit der Muttermilch aufgesogen.« Er wandte sich an David: »Junge, nimm das Pferd des Mannes und mach dich an die Arbeit.«
»Jawohl, Sir«, sagte David. Und zum Reverend: »Wie heißt sie?«
»Ich nenne sie nur Pferd. Ihr Rücken ist übrigens vom Sattel aufgerieben.«
David lächelte. »Jawohl, Sir.« Er löste die Sattelriemen.
»Ich würde sie auch gerne noch für eine Weile unterstellen«, sagte der Reverend zu Rhine, »wenn es Ihnen recht ist.«
»Zahlen Sie einfach dann, wenn Sie sie wieder abholen.«
David reichte dem Reverend die Satteltaschen. »Die brauchen Sie wahrscheinlich.«
»Danke.«
David nickte, nahm die Zügel und führte das Pferd davon.
»Wo kann man hier übernachten?«, fragte der Reverend.
Rhine zeigte die Straße hinunter. »Nur im Hotel Montclaire.«
Der Reverend nickte, warf sich die Satteltaschen über die Schulter und machte sich auf den Weg die Straße hinunter.
Drei
Auf dem Schild über dem verwitterten Gebäude stand: HOTEL MONTCLAIRE. Sechs Doppelfenster auf der Straßenseite, hinter jedem ein zugezogener dunkelblauer Vorhang. Die Fenster waren offen, und die Vorhänge blähten sich in der leichten Morgenbrise. Aus der Brise wurde langsam schon ein warmer Wind. Es war August in Osttexas, und abgesehen von den ganz frühen Morgenstunden oder manchmal einem nächtlichen Lüftchen war es heiß wie im Fell einer läufigen Hündin und stickig wie in einem Topf Sirup.
Der Reverend zog ein staubiges Tuch aus der Innentasche seines Mantels und wischte sich damit übers Gesicht. Dann nahm er den Hut ab und fuhr sich über sein dichtes, fettiges schwarzes Haar. Er steckte das Taschentuch wieder ein, setzte den Hut wieder auf, drückte seinen sattelgeplagten Rücken durch und betrat das Hotel.
Am Empfang hing ein Mann mit einer Wampe hinterm Tresen wie ein gestraucheltes Pferd und schnarchte. Schweißtropfen bahnten sich ihre Wege durch die Staubschicht auf seinem Gesicht. Eine Fliege kreiste summend über seiner Nase, konnte dort allerdings nicht landen, weil der fette Mann zu heftig schnarchte. Schließlich fand sie ein Plätzchen auf seiner Stirn.
Der Reverend schlug mit der Handfläche auf die Tischglocke.
Mit einem Ruck erwachte der Mann, richtete sich auf und wedelte mit der Hand, um die Fliege zu verscheuchen. Er leckte sich den Schweiß von den Lippen.
»Jack Montclaire, zu Diensten«, sagte er.
»Ich hätte gern ein Zimmer.«
»Zimmer, da sind Sie bei uns richtig.« Er drehte das Gästebuch herum. »Wenn Sie sich bitte eintragen würden.« Und als der Reverend sich eintrug: »Sie haben mich bei einem Nickerchen ertappt. Das kommt von der Hitze ... äh, sechs Bits pro Nacht, frische Bettwäsche alle drei Tage ... wenn Sie drei Tage bleiben.«
»Ich bleibe mindestens drei Tage. Mahlzeiten extra?«
»Wenn ich welche anbieten würde, ja. Aber Sie werden drüben im Café essen müssen.« Und widerstrebend fragte er: »Gepäck?«
Der Reverend tätschelte seine Satteltaschen und zählte Montclaire die sechs Achteldollarmünzen in die Hand.
»Verbindlichsten Dank«, sagte der. »Zimmer 13, am Ende der Treppe links. Angenehmen Aufenthalt.«
Montclaire drehte das Gästebuch
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