Street Art Love (German Edition)
Ich trage am liebsten einen Pferdeschwanz, bedruckte T-Shirts und Jeans. Ich bin mittelgroß, eher schmal, und ich bin ein heller Hauttyp. Erst war ich enttäuscht, dass ich keine richtige Farbe bekomme, aber Maja hatte eine gute Erklärung. Sie sagte, Weiß wäre klar und hell und ich wäre auch immer so klar und eine aufmerksame Beobachterin. Neutral – auf eine gute Art und Weise. Aber ein bisschen Gelb haben wir dann doch reingemischt, denn reines Weiß ist einfach zu kalt.
Wir haben uns also eine Menge Gedanken gemacht, und jetzt steht Charly da und will das alles in ein paar Sekunden erkennen? Allerdings war er bei Maja wirklich nah dran. Und natürlich ist es auch Ansichtssache, schon klar.
Charly überlegt immer noch. Ich werde langsam ein wenig ungeduldig.
»Was jetzt?«
Er zögert und sagt dann entschieden: »Grau.«
» GRAU ?« Ich spüre, dass es mich trifft. Grau, die langweiligste und deprimierendste Farbe überhaupt.
»Grau?«, fragt auch Maja irritiert.
»Ja, so ein helles Grau, fast silbern.«
Nein, so kann er die Sache nicht mehr retten. Wenn er mich nicht leiden kann, bitte, aber Grau ? Das ist einfach nur gemein.
Ich sehe zu Maja, äußerlich ruhig, innerlich koche ich. »Ich muss los.«
Maja spürt meine Stimmung. Charly allerdings auch. Was bildet er sich überhaupt ein!
»Okay, na dann!«, sagt Maja und stellt sich zu mir. Ihr Blick hängt allerdings immer noch an Charly. Ich wende mich zum Gehen. Maja kommt widerwillig mit.
»Hey, und was bin ich für eine Farbe? Das ist nicht fair, oder?«, ruft Charly hinter uns her, und Maja dreht sich natürlich um. Ich bleibe stehen, drehe mich auch um und mustere ihn abschätzig. »Schwarz« , sage ich ruhig. »Für mich bist du Schwarz.« Dann gehe ich weiter. Ganz ruhig. Und Charly bleibt zurück.
Maja trippelt eilig hinter mir her. »Wieso denn Schwarz?«, flüstert sie leise. »Wegen der Haare? Oder weil er diese schwarzen Sachen anhat? Aber er hat doch blaue, ganz helle Augen und helle Haut, und ich dachte, wir hätten gesagt, Schwarz ist gar keine Farbe, genauso wie Weiß …«
»Genau«, sage ich aufgebracht. »Um eine Farbe zu bekommen, sollte man etwas Charakter zeigen, aber dieser selbstgefällige, überhebliche, eingebildete …«
Unser Bus kommt, und wir müssen laufen, um ihn zu erwischen.
Im Bus beruhige ich mich etwas. Maja sieht aus dem Rückfenster und zupft mich am Ärmel. Draußen steht Charly und blickt uns überrascht hinterher.
»Also echt«, sagt Maja. »Gerade warst du aber auch ganz schön … Weiß!«
[zurück]
WIR WOHNEN IN EINEM ZWEIFAMILIENHAUS. Das weiß ich, seit ich als kleines Mädchen mal gefragt habe, warum zwei Klingeln an unserer Tür sind. Jetzt wohnen nur wir darin, Max und ich oben, meine Eltern unten. Es gibt also viel Platz. Das ist sehr schön, wenn das Haus voller Leute und Gäste ist oder wir alle zu Hause sind und jeder in seinem Zimmer Musik hört. Nicht so gut ist es, wenn man abends allein ist, denn dann sind die vielen leeren, schwarzen Räume unheimlich. Wenn Max und ich abends nur zu zweit sind, gehen wir oft zusammen in mein Zimmer und sehen fern, manchmal übernachtet er bei mir, wenn meine Eltern sehr spät nach Hause kommen, und das passiert öfter. Am Tag ist das Haus hell und freundlich, trotzdem fühlt es sich komisch an, wenn niemand da ist und man seine eigenen Schritte über die Dielen knarren hört.
»Wo warst du!« Max stürmt mir entgegen. Ich weiß, dass er sehr froh ist, dass ich wieder da bin.
»In der Schule, wo sonst?«
»So lange?«
Max kann die Uhr lesen, er weiß genau, wann ich aus der Schule kommen müsste. Weil ich ein schlechtes Gewissen habe, biete ich ihm an, Pfannkuchen zu backen.
Er hüpft hinter mir in die Küche. »Mit Nutella!«
»Na klar.«
Während ich die Pfanne herausstelle und die Zutaten zusammensuche, steht er neben mir und schaut mir zu.
»Wie war es in der Schule, Rotznase?«
Er grinst. Ich gebe ihm am Tag hundert Spitznamen, und er liebt es.
»Super. Ich habe einen Smiley bekommen. Und in der Pause, da war einer, der hatte einen Fußball dabei.«
»Dürft ihr denn in der Pause spielen?«
»Auf dem Platz. Nur auf dem Platz.«
»Willst du die Eier aufschlagen, Meisterkoch?«
Max sieht mich mit kugelrunden Augen an. »Ich?« Er wird ganz aufgeregt.
»Klar, das kannst du. Ich hole eine kleine Schüssel, siehst du, so, und dann kannst du sie gut am Rand aufschlagen.«
Ich lege ein Ei in Max’ Hand. Er strahlt. »Schlag es
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