Street Art Love (German Edition)
näher. Ich muss das Eis sehen, wenn ich wähle. »Was ist das Blaue?«
»Schlumpf-Eis«, sagt der Verkäufer. Ach ja, ich erinnere mich. Wassereis mit Speisefarbe.
»Und das Rote?«
»Kirsch.«
»Und das Gelbe da drüben?«
»Mango.«
Charly starrt mich an.
»Was ist?«, frage ich. Ich brauche Zeit, um mich zu entscheiden. »Willst du erst aussuchen?«
»Nein, schon okay, nur …«
»Was?«
»Du suchst das Eis nach Farben aus?«
Der Eismann seufzt. »Könntet ihr euch vielleicht mal entscheiden? Hinter euch stehen auch noch ein paar Leute!«
»Zwei Kugeln. Mango und Zitrone«, sage ich und hole mein Portemonnaie heraus.
»Und wer zahlt das Erdbeereis?«
Ich reiche ihm einen Zehner. »Ich!«
»Nein, ich!«, sagt Charly und kramt in seinen Taschen. Bis er sein Geld herausgeholt hat, hat der Eismann schon meinen Schein einkassiert.
»Moment, da kommt noch ein Eis dazu«, sage ich zu dem Eismann und sehe Charly auffordernd an. »Du bist neu in der Klasse, natürlich laden wir dich ein.«
Er schaut mich an und lächelt überrascht. »Danke.«
Wir gehen mit unseren Eistüten etwas weiter zu einer Bank.
»Wow, das Schoko-Eis ist super!«, sagt Charly. Er hält Maja sein Hörnchen hin. »Willst du mal probieren?«
Maja wird rot und schleckt von seinem Eis. »Schmeckt super!« Ihre Stimme ist bestimmt zwei Oktaven höher als sonst.
»Du auch?«, fragt Charly und hält mir seine Eistüte hin. Er hat offenbar noch nie was von Speichel gehört. Ich schüttele den Kopf. Er zuckt lässig mit den Schultern und sieht mich neugierig an.
»Schmecken denn deine Sorten? Ich meine, wenn man nach Farben aussucht, besteht ja ein gewisses Risiko …«
»Wieso?«, fragt Maja naiv, als hätte sie seit der Begegnung mit Charly ihr Gehirn verloren.
»Alles bestens!«, sage ich.
»Ich wette, du sortierst auch deine Bücher nach Farben.«
Allerdings . Aber das muss ich ihm ja nicht sagen.
»Ja, sie hat auch Farben für Menschen«, platzt Maja heraus.
Ich stoße sie an. Darüber müssen wir jetzt nicht reden.
»Ach ja?«. sagt Charly. »Das finde ich interessant. Was für eine Farbe, hm, hat denn zum Beispiel
der
Typ da?«
Er zeigt auf einen langen, schlaksigen Typen aus der Elften. Er hat blonde, kurze glatte Haare und eine helle Haut. Ganz eindeutig ein Hellblau.
Maja und Charly sehen mich erwartungsvoll an. Ich habe keine Lust, darüber zu reden. Nicht mit ihm. Es ist ein Spiel zwischen Maja und mir und irgendwie geheim. Ich kann nicht fassen, dass Maja ihm davon erzählt hat.
»Was denkt ihr denn?« Ich löffele ruhig mein Eis und warte auf eine Antwort.
»Dunkelgrün?«, sagt Maja vorsichtig.
Charly und ich schütteln den Kopf.
»Nein, nein.« Er runzelt die Stirn. »Nicht Grün! Dafür ist der Typ viel zu …«
»Leicht«, rutscht es mir heraus. Er nickt. »Genau, ich finde, es muss eine helle Farbe sein.«
Ich halte den Atem an.
»Lichtblau!«, sagt Charly entschieden.
Verdammt, er hat recht. Lichtblau ist sogar noch besser und präziser als Hellblau. Maja zieht einen Schmollmund. »Was soll das denn für eine Farbe sein?«
Charly versucht es ihr zu erklären. »Transparent, durchscheinend.«
Ich weiß genau, was er meint.
»Okay, was bin ich denn dann für eine Farbe?«, fragt Maja neugierig, obwohl wir darüber schon tausendmal gesprochen haben. Maja ist Orange. Ein sattes Orange. Für mich war das immer klar. Sie hat nussbraune Haare, eine leicht gebräunte Haut und trägt gerne Rottöne. Aber was sie für mich vor allem zu Orange macht, ist, dass sie meist unbekümmert und fröhlich ist. Sie hat fast immer gute Laune. Und sie ist sehr leicht zu beeinflussen. Daher ist sie keine der Grundfarben, eher eine Mischung.
Charly blinzelt und sieht sich Maja so genau an, dass sie wieder rot wird.
»Gelb.«
Ich bin ganz und gar nicht seiner Meinung, aber Maja lächelt geschmeichelt. Als wäre Gelb so viel besser als Orange.
Charly schaut zu mir, und ich schüttele den Kopf. Er kneift die Augen zusammen. »Was denkst du denn?«
»Orange.«
Er betrachtet Maja und nickt langsam. »Aber ein helles Orange.«
Maja bläst enttäuscht die Luft aus. Sie wäre lieber ein Gelb geblieben, das sehe ich eindeutig.
»Und was ist Sophie?«, fragt sie, stopft den Rest der Eistüte in ihren Mund und verschränkt die Arme vor der Brust.
Auch da hatten wir uns eigentlich geeinigt. Ich bin Cremeweiß. Es war nicht leicht, eine Farbe für mich zu finden. Ich habe lange, dunkelblonde Haare und Sommersprossen.
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