Streit Ist Auch Keine Loesung
ersten Modelle explodierten allerdings gelegentlich wegen eines zu hohen Dampfdrucks, da sie noch kein Überdruckventil hatten.
So richtig populär wurde der Dampfkochtopf dann – mit einem Überdruckventil versehen – erst in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Die Menschen hatten Geld, sich so ein teures Küchenutensil zu kaufen, und die Anwendung war jetzt komfortabel und sicher. Doch die 70er-Jahre waren auch eine Zeit grundlegender Veränderungen. Frauen forderten die Gleichberechtigung, das neue Scheidungsgesetz wurde erlassen und machte Scheidungen leichter. Das Zusammenbleiben als Paar war jetzt keine Selbstverständlichkeit mehr. Beziehungsexperten traten auf den Plan, um zu erklären, wie eine gute Ehe zu führen sei. Dafür griffen sie auf die Probleme mit den ersten Dampfkochtöpfen zurück. Sie empfahlen das Streiten als einen wichtigen Beitrag zur partnerschaftlichen Gefühlshygiene. Ihr Argument: Wie in einem Dampfkochtopf entstehe in der Beziehung Unmut, der regelmäßig abgelassen werden müsse – natürlich beim Partner –, sonst drohe eine Explosion. Lassen Sie Ihre Gefühle heraus – so die Devise dieser Experten.
Nicht nur der Dampfkochtopf hat seit dieser Zeit an Beliebtheit verloren, auch die Theorie des Dampfablassens beim Partner als eines guten Weges zu einer stabilen Partnerschaft ist seither mächtig unter die Räder gekommen. Der Grund: Sie hat sich nicht bewährt. In wissenschaftlichen Untersuchungen hat sich gar das Gegenteil als günstig erwiesen. Glaubt man Wissenschaftlern wie dem amerikanischen Paartherapeuten und Beziehungsforscher John Gottman oder dem Bochumer Psychologieprofessor Hans-Werner Bierhoff, dann ist es für eine Beziehung sogar ausgesprochen förderlich, wenn wir nicht regelmäßig beim Partner oder bei der Partnerin Dampf ablassen. Wir selbst wollen ja auch nicht vom Partner mit Unmut überhäuft werden.
Lassen Sie Ihre Gefühle heraus! Mit dieser Devise gehen auch heute noch viele Paare an partnerschaftliche Konflikte heran. Sie haben immer noch das Bild von einem Dampfkochtopf vor Augen, der ungedingt Druck ablassen muss. Seltsam, warum folgen Menschen gerade in der Partnerschaft so gerne der Devise „Lassen Sie Ihre Gefühle heraus!“, während sie sich in Freundschaften und auch gegenüber Kolleginnen und Kollegen und bei Chefs ganz anders verhalten?
Was dieses Buch will
Seit vielen Jahren berate ich Singles, die nach einer Trennung den Weg zu einer neuen Liebe suchen. Und ich berate Menschen, die in einer Partnerschaft leben und nach Wegen suchen, ihre Schwierigkeiten miteinander zu überwinden. Die Liebe ist meiner Ansicht nach eine Erfahrungswissenschaft. Ich will Sie deshalb in diesem Buch teilhaben lassen an den Erfahrungen, die ich – und andere Experten – mit der Liebe machen. Was wirkt? Und was wirkt nicht? Welche Wege führen Sie immer weiter hinein in partnerschaftliche Konflikte? Und welche führen Sie hinaus?
Die meisten Paare wünschen sich eine Beziehung ohne Streit.
Es ist schon seltsam mit dem Thema „Streit ist auch keine Lösung“. Wenn ich mit Paaren spreche, dann erzählen die allermeisten, wie sehr sie unter dem Streiten leiden. Ein Leben ohne Streit in der Beziehung wäre ihnen viel lieber. Und sie fragen sich: Wie kann uns das gelingen? Wenn ich aber von meinem Vorhaben erzähle, ein Buch darüber zu schreiben, wie es möglich ist, sich nicht zu streiten und dauerhaft ein glückliches Paar zu sein, dann sind die Reaktionen ganz anders. Ob Experten oder Freunde und Bekannte – sie alle sagen das Gleiche: „Nein, das geht doch nicht. Ohne Streit ist eine Beziehung nicht möglich.“
|| | Der Fuchs und die Trauben
Mich erinnern diese Reaktionen an die Geschichte des antiken griechischen Fabeldichters Äsop vom Fuchs und den Trauben. Der Fuchs schlich an einen Weinstock heran, den Blick sehnsüchtig auf die dicken, blauen, überreifen Trauben gerichtet. Er reckte sich, so sehr er konnte, aber er kam nicht an sie heran. Dann versuchte er es auf einem anderen Wege. Er sprang so hoch, wie er nur konnte. Aber auch diesmal verfehlte er die ersehnten Köstlichkeiten. Der sonst so listige Fuchs kam an die Trauben einfach nicht heran. Sie hingen zu hoch. Zugeben wollte er seine Niederlage aber nicht und so stellte er am Ende missmutig fest: „Die Trauben sind zu sauer.”
Wer eine Beziehung ohne Streit will, der muss bereit sein, sich – bildlich gesprochen – auf die Hinterbeine zu stellen und sich für sein Ziel
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