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Streng vertraulich

Streng vertraulich

Titel: Streng vertraulich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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du tot bist, wenn du es nicht tust.« Ich sah Lollipop an. »Scheiße, ich hab’ vor, den Kleinen hier mit seiner Pistole alle zu machen.«
Lollipop sagte: »Na klar, Mann«, doch seine Stimme klang heiser, so als säße ihm etwas quer im Hals.
Socia sah wieder die Straße hoch und runter, dann zuckte er mit den Schultern. Seine Hand kam hinter Angies Rücken hervor. Er hielt die Waffe so, daß ich sie sehen konnte, eine Bren neun Millimeter; dann stellte er sich neben Angie und steckte die Waffe in die Innentasche seiner Jacke. Er befahl: »Lollipop, tu sie weg.«
Der Junge hieß tatsächlich Lollipop. Patrick Kenzie, der Psychodetektiv. Lollipops Oberlippe war bis zur Nase hochgezogen, er atmete schwer und zeigte mir, was für ein harter Kerl er war, indem er die nicht einmal entsicherte Pistole an Ort und Stelle ließ. Dämlich. Er schien seine Männlichkeit unter Beweis stellen zu wollen, nicht obwohl, sondern weil er Angst hatte. So ist es normalerweise. Aber er konzentrierte sich ein bißchen zu sehr darauf, mich anzustarren und seine Männlichkeit zu beweisen. Ich verlagerte leicht meinen Schwerpunkt, keine große Bewegung, und schon zeigte seine Waffe in die Luft. Ich griff nach seiner Hand, die die Pistole hielt, schlug ihm mit der Stirn auf den Nasenrücken, wobei die Sonnenbrille auseinanderbrach, und drückte ihm die Wumme mit seiner eigenen Hand gegen den Bauch. Dann entsicherte ich sie. »Willst du sterben?«
Socia mischte sich ein: »Kenzie, laß den Jungen gehen.«
Lollipop antwortete: »Ich sterbe, wenn ich muß«, und wehrte sich gegen meine Hand. Ein dicker Blutstrom rann seine Nase herunter. Er schien nicht gerade erfreut über diese Aussicht, aber er wirkte auch nicht unbedingt abgeneigt.
Ich sagte: »Gut. Weil, wenn du das nächste Mal eine Knarre auf mich richtest, Lollipop, das nämlich passiert.« Ich drückte den Hahn wieder herunter, schnippte die Sicherung nach vorne, entwand die Waffe seiner schwitzenden Hand und steckte sie in meine Tasche. Ich hob die Hand, und Bubbas Gewehr verschwand.
Lollipop atmete schwer und ließ mich nicht aus den Augen. Ich hatte ihm weit mehr genommen als seine Waffe. Ich hatte ihm seinen Stolz genommen, das einzige, was in seiner Welt etwas wert war; er würde mich zu töten versuchen, wenn es ein nächstes Mal gab. Im Moment machte ich mich bei allen beliebt.
Socia befahl ihm: »Lollipop, verschwinde. Sag auch allen anderen, sie sollen sich verziehen. Ich komme später nach.«
Lollipop warf mir einen letzten Blick zu und reihte sich in den Menschenstrom ein, der in Richtung Jordan Marsh lief. Er ging nirgendwo hin. Das war mir klar. Er und der Rest seiner Leute, wer immer das war und wo auch immer sie sich aufhielten, würden sich weiter in der Masse versteckt halten und ihren König bewachen. Socia war ein bißchen zu klug, um sich uns ungeschützt zu überlassen. Er sagte: »Los, komm. Wir setzen uns…«
»Wir setzen uns da drüben hin«, unterbrach ich ihn.
Er hielt dagegen: »Ich weiß eine bessere Stelle.«
Angie nickte mit dem Kopf in Richtung Barnes and Noble: »Du hast keine Wahl, Socia.«
Wir gingen an Filene’s vorbei und setzten uns auf eine Steinbank auf dem kleinen Platz nebenan. Das Zielfernrohr erschien wieder auf dem Dach, es war auf uns gerichtet. Socia sah es ebenfalls.
Ich forderte ihn auf: »So, Marion, jetzt erzähl mir mal, warum ich dich nicht auf der Stelle erledigen soll.«
Er lächelte. »Scheiße. Du steckst bei meinen Leuten schon tief genug drin. Ich bin für die Jungen wie ein Gott. Wenn dir das nicht paßt und du lieber die Zielscheibe in einem heiligen Krieg bist, dann mach ruhig weiter.«
Ich hasse es, wenn Leute recht haben.
Ich lenkte ein. »Okay. Warum verrätst du mir nicht, warum du mich noch leben läßt?«
»Manchmal bin ich halt richtig großzügig.«
»Marion.«
»Eigentlich kommt es nicht drauf an«, erwiderte er, »ich bringe dich vielleicht einfach um, weil du mich ständig Marion nennst.« Er lehnte sich zurück, ein Bein über das andere geschlagen, die Hände vor dem Knie gefaltet. Ein Mann, der ein bißchen frische Luft schnappt.
Angie fragte: »Also, Socia, was willst du von uns?«
»Scheiße, Mädchen, du hast überhaupt nichts damit zu tun. Vielleicht lassen wir dich ja weiterleben, wenn das hier vorbei ist.« Er zeigte mit dem Finger auf mich. »Aber er, er steckt seine Nase überall rein, wo sie nicht hingehört, er hat auf einen von meinen besten Männern geschossen und hat hier mit Sachen rumgemacht,

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