Streng vertraulich
besser zu machen, damit das Leben ein bißchen leichter wird, kann er nicht verstehen, daß es tatsächlich Menschen gibt, die mit dem Wunsch aufstehen, den Rest der Welt leiden zu lassen. Selbst als seine Tochter mit einem Gitarrenspieler durchbrannte, der doppelt so alt war wie sie und sie in einem Motelzimmer in Reno dem Turkey überließ; selbst als sie besonders fiese Leute kennenlernte und ihren sechzehnjährigen Körper schließlich auf einer Seitenstraße in Las Vegas anbot; selbst als Angie und ich rüberflogen und sie mit Hilfe der Staatspolizei von Nevada von diesen fiesen Leuten befreiten; selbst als sein süßes Früchtchen ihm die Schuld an all dem Scheiß gab, den sie verzapft hatte; selbst danach lächelt George die Welt immer noch so nervös an wie ein Mensch, der nur freundlich und offen sein kann und hofft, daß es ihm die Welt wenigstens ein einziges Mal lohnt. Aus Menschen wie George rekrutieren die meisten Religionsgemeinschaften ihre Basis.
Er ging beim ersten Klingeln ran. Tut er immer. Er meldete sich mit: »Hier ist George Higby«, und ich erwartete fast, daß er hinzufügte: »Wollen wir Freunde sein?«
»Hi, George, hier ist Patrick Kenzie.«
»Patrick!« rief George, und ich muß zugeben, daß mich die Freude in seiner Stimme plötzlich froh stimmte, ich selbst zu sein. Ich fühlte mich, als sei ich nur zu einem Zweck auf dieser Welt: George mit einem Anruf am 2. Juli glücklich zu machen. Er fragte: »Wie geht’s dir?«
»Mir geht’s gut, George, und dir?«
»Sehr gut, Patrick. Sehr gut. Kann mich nicht beklagen.« George gehört zu denen, die sich nie beklagen können. Ich begann: »Ähm, George, ich rufe leider nicht einfach nur
so an«, und mir wurde mit einer gehörigen Portion Schuldgefühlen klar, daß ich George noch nie »einfach nur so« angerufen hatte und das auch wohl nie tun würde.
»Kein Problem, Patrick«, erwiderte er, doch fiel seine Stimme für einen Moment um eine Oktave. »Du bist ein vielbeschäftigter Mann. Was kann ich für dich tun?«
»Wie geht’s Cindy?« erkundigte ich mich.
»Du weißt ja, wie die Kinder heutzutage sind. In ihrem Alter ist der Vater nicht mehr das Wichtigste für sie. Aber das ändert sich natürlich wieder.«
»Ja, klar«, bestätigte ich.
»Man muß sie erst mal erwachsen werden lassen.«
»Sicher«, pflichtete ich ihm bei.
»Dann kommen sie schon wieder zurück.«
»Stimmt«, sagte ich. Stimmt wirklich.
»Aber genug von mir«, brach er ab. »Ich habe dich letztens in der Zeitung gesehen. Wie geht’s dir?«
»Gut, George. Es wurde alles ein bißchen zu sehr aufgeblasen.«
»Ja, das ist oft so«, bemerkte er. »Aber muß ja wohl so sein.«
Ich versuchte es: »Warum ich anrufe, George, ist, weil ich ein Nummernschild brauche und nicht bis morgen warten kann.«
»Über die Polizei kannst du es nicht bekommen?«
»Nein. Ich muß diese Sache noch ein bißchen länger alleine verfolgen, bevor ich damit zur Polizei gehe.«
»Gut, Patrick«, sagte er und dachte darüber nach. »Gut«, wiederholte er ein bißchen fröhlicher. »Ja, können wir machen. Du mußt mir so ungefähr zehn Minuten geben, damit ich dort in den Computer komme. In Ordnung? Hast du soviel Zeit?«
»Du tust mir hier einen Gefallen, George. Nimm dir soviel Zeit, wie du brauchst.« Ich nannte ihm Jennas Namen, ihre Führerscheinnummer und Anschrift.
»Gut. Fünfzehn Minuten höchstens. Ich rufe dich zurück.«
»Hast du meine Nummer?«
»Klar«, erwiderte er, als hätten wir alle die Telefonnummern von Leuten, mit denen wir vor zwei Jahren mal zweimal zu tun hatten.
»Danke, George«, schloß ich und legte schnell auf, bevor er sagen konnte: »Nein, ich danke dir.«
Wir warteten. Angie warf einen Softball durch den Korb über dem Ghettoblaster, und ich gab ihn ihr wieder zurück. Sie kann ganz gut werfen, aber sie nutzt das Korbbrett nicht richtig. Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und versuchte es mit einem hohen Bogen. Bevor der Schaumstoffball durch den Korb segelte, fragte sie: »Weihen wir Devin ein in diese Sache?«
Ich schmiß den Ball zu ihr zurück. »Nein.«
»Und warum nicht?« Sie versuchte es erneut und warf daneben.
»Darum nicht. Spiel mal über das Korbbrett!«
Sie warf den Ball nach oben, so daß er von der Decke abprallte. »Das ist aber nicht der Dienstweg«, bemerkte sie mit singendem Tonfall.
»Der Dienstweg? Sind wir jetzt bei der Armee?«
»Nein«, erwiderte sie, und der Softball prallte von ihrer Hand ab, streifte ihr Bein und fiel zu
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