Striptease
so geil gewesen.
Die Musik schwoll zum Crescendo an, die Sängerin schrie vor Wut oder in Ekstase. Oben auf der Bühne krallte Dee ihre Finger um die Stange. Hitze stieg aus erregten, schwitzenden Körpern. Die Atmosphäre war angefüllt von unerfüllten Begierden. Jeder, der sie beobachtete, wusste, was sie tat, und jeder sah seine Qual. Jeder hatte seine gemeine Lust daran.
Sie war perfekt und trieb es auf die Spitze. Sah ihn fest dabei an. Ihre Brüste in seinem Gesicht, ihren Schritt auf seinen gepresst. Strass-Steine und String-Tanga quetschten seinen Penis ein. Ihre Hände lagen auf seinen Schultern, ihre Lippen fegten verstohlen über seinen Nacken. Sie spielte mit ihm wie mit einer Puppe, bis süße Spasmen ihre Klitoris, ihre Schenkel und ihren Po durchzogen. Jeder Zuschauer durfte sehen, wie sie kam. Und wie sie es genoss.
Er war kurz vor seinem Orgasmus, sein Körper wurde schwächer. Sie presste ihre Lippen an sein Ohr. »Bist du so weit?«, flüsterte sie.
Und dann lachte sie. »Ich weiß es. Du stirbst fast vor Geilheit. Aber du darfst mich nicht anfassen«, sagte sie und stand lachend auf.
Er biss sich auf die Unterlippe. Wenn sie um Geld gewettet hätten, wäre es dumm für ihn ausgegangen. Sie fuhr sich mit den Händen durch die Haare und warf ihm einen Kuss zu. Hoffentlich versagten ihre weichen Beine nicht den Dienst. Sie sah ihn lange, lange an. Eine Hand bedeckte halb seine Erektion, seine Augen sahen sie bewundernd an. Sie lächelte und eilte zur Umkleidegarderobe.
Was für eine verrückte Nacht.
Sie steckte das Geld, das sie verdient hatte, in einen Topf in der Garderobe, damit die anderen es später nehmen konnten, ohne sich zu schämen. Danach zog sie sich um und fand Lacey rauchend vor der Tür.
»Danke.«
Lacey nickte. »Du machst einen verdammt guten Job, weißt du das?«, sagte sie bewundernd.
»Jaaa, das hat man mir schon erzählt«, erwiderte sie grinsend.
»Aber du hast es durchgezogen.«
Das war nahe am besten Kompliment, das sie je für eine Vorstellung bekommen hatte. Sie nickte schweigend.
Lacey zog an ihrer Zigarette und schaute nach oben. Hier draußen waren die Sterne viel heller und klarer als in der Stadt. Nicht von Abgasen getrübt und von Lichtern verdeckt.
»Du wirst bei ihm bleiben, oder?«
Es war keine Frage. Sie schaute die ältere Frau an. Ihr Gesicht gezeichnet von Jahren des Lebens auf der falschen Barseite. Sie fröstelte.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht.«
Lacey drehte sich um und schüttelte leicht den Kopf, als wollte sie andeuten, sie sei eine Idiotin.
Das Licht von Autolampen durchbrach die Dunkelheit. Sein Wagen bog um die Ecke.
Sie zögerte. »Vielleicht«, wiederholte sie. Dieses Mal nickte Lacey und lächelte.
»Mach nichts, was ich nicht auch tun würde.«
Lachend verabschiedete sie sich von Lacey und ging zum Wagen. Er wartete auf sie.
Hinter Türen, die nicht mehr verschlossen werden mussten.
Vorhang.
Entgleisungen
Cal Jago
Seit fast zehn Minuten standen wir im Tunnel. Die Zugabteile waren wie immer überfüllt – Berufsverkehr. Bis zur Betriebsstörung waren die Pendler mürrisch und in sich gekehrt gewesen – wie üblich. Je länger die Störung dauerte, desto ungeduldiger und verärgerter wurden sie: Seufzer, dramatische Blicke zur Armbanduhr, Ist-das-zu-begreifen-Blicke und als Zugabe nach oben gerollte Augen. Die Hitze machte die Situation auch nicht besser. Ein junger Mann in Jeans und T-Shirt hing seit fünf Stationen verschlafen an der Tür, das Gesicht zum Kühlen an die Scheibe gepresst. Er war schlecht rasiert und hatte schwere Augenlider.
Ich stand Sleepy gegenüber, mit dem Rücken an die Glasscheibe gelehnt, die mich von den sitzenden Fahrgästen trennte. Meine Aktentasche hielt ich ordentlich vor den Knien. Direkt vor mir stand eine Frau mit Rucksack, dessen Aufdruck behauptete: »Designer sind bekloppte Säcke«. Die Augen der Frau irrten hin und her zwischen ihrem zerknüllten U-Bahn-Plan und dem offiziellen Plan über der Tür. Rechts von mir stand ein Mann mittleren Alters, der in ein Buch starrte, das ihm suggerierte, in sieben Tagen Italienisch zu lernen. Ich bezweifelte es.
Am meisten interessierte mich die Person, die zu meiner Linken an der Tür lehnte. Sein dichtes dunkles Haar unterstrich seine blauen Augen, zwischen den Bartstoppeln hatte er einen niedlichen Schmollmund. Er hielt eine zusammengerollte Ausgabe des Q-Magazins in den Händen, welches ihn aber offenbar nicht interessierte, denn er hatte
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