Striptease
Tür passte.
Nachdem sie einen kleinen Flur durchquert hatten, betraten sie einen engen Raum, der nur halb so groß war wie ihr Badezimmer zuhause. In einer Ecke war ein großer Wandspiegel angebracht, eine andere Zimmerseite war komplett mit einem Spiegel verkleidet, und davor stand ein Gestell mit Bühnenkostümen. In der Mitte des Zimmers gab es einige Metallstühle, an denen die Farbe abblätterte. Sie standen so kreuz und quer, als wären sie Gegenstände für einen Hindernis-Parcours. Das gefiel ihr.
Lacey betrachtete sie und hatte scheinbar Mühe, ihre Zunge im Zaum zu halten. Die Geschäftsführerin – eine strenge rothaarige Vollbusige wie Lacey – hatte klargemacht, dass das Stadtvolk seinen Spaß haben sollte. Denn sie bezahlten dafür. Und sie zahlten gut.
Sie sah Lacey hilflos an. »Ich bin genau das, für was du mich hältst. Ich bin genau eine von denen . Ich bin hier, um für eine Nacht dein Leben zu leben, bevor ich wieder in mein sicheres Zuhause zurückkehre.«
Laceys mürrischer Gesichtsausdruck verschwand. Überrascht und ein wenig betreten sagte sie: »Ich wusste nicht ... ich meine ...«
»Du musst dich nicht entschuldigen«, erwiderte sie lächelnd. »Glaub mir, ich will das hier. Wirklich. Und ...«
Sie schaute zu der verschlossenen Tür, durch die sie gekommen waren.
Lacey lächelte verständnisvoll. » Er ist ein ganz Besonderer. Ich würde ihn auch nicht von der Bettkante stoßen.«
Sie sahen sich lange ein wenig scheu und befangen an, aber sie hatten einander genau verstanden. Und dann grinste Lacey.
»Also dann. Lass uns keine Zeit verlieren und lieber etwas Außergewöhnliches für dich zum Anziehen aussuchen.«
Unter Laceys Schutz duldeten die beiden anderen Mädchen, die später hereinkamen, stillschweigend ihre Anwesenheit. Sie gaben ihr zwar keinen freundlichen Empfang, waren aber auch nicht feindselig. Sollte die Stadthure doch ihren Spaß haben, sagten ihre Blicke. Genau das gefiel ihr.
Sie machte sich mehr Sorgen um ihr Kostüm. Wie sollte sie da jemals wieder rauskommen? Was würde er davon halten? Entsprach sie seinen Vorstellungen? Und konnte sie ihre eigenen Erwartungen erfüllen?
Sie legte Gloss auf ihre rot geschminkten Lippen und zweifelte erneut an ihrem Aussehen. Sie suchte nach Makeln. Sie hatte erwartet, dass sich das Kostüm fremd auf ihrer Haut anfühlen würde: Glitzer auf ihren Wangen, dreifacher Eyeliner und Strass-Schnüre, die Brüste und Schritt bedeckten. Ihre einzige Anforderung an Sittsamkeit. Alles fühlte sich gut an. Sie hoffte nur, dass sie sich nicht täuschte.
Als Lacey von ihrem Auftritt zurückkam, mit erhitztem Gesicht und schwitzend, mit frei baumelnden Brüsten und die Hände voller zerknüllter Geldscheine, tippte sie ihr auf die Schulter und wies mit dem Kopf zur Bühne. Eines der anderen Mädchen war bereits auf dem Weg dorthin, ihre Absätze klapperten über den Flur. Showtime.
Der kritische Teil war das Stückchen dämmriger Bühne vor dem roten Vorhang und dahinter das gleißende Licht. Es wirkte wie eine tiefschwarze Barriere zwischen ihr und ihrem Publikum. Noch ein Schritt, und es gab kein Zurück mehr. Da musste sie durch. Die ganze Strecke.
Sie atmete tief ein und machte einen Stilettoschritt vorwärts zur Bühne.
Er saß in der ersten Reihe. Mittendrin mit direktem Blick auf die Bühne. Sie konnte seine breiten Schultern erkennen, sein schwarzes Haar. Neben ihm zeichneten sich die Umrisse anderer Zuschauer ab. Sie alle warteten und wollten etwas geboten bekommen. Endlich ging ihr Wunsch in Erfüllung.
Gitarrenklänge kreischten aus den riesigen Lautsprechern, Bässe vibrierten durch ihre Highheels und ihren Bauch. Und da war die Stange. Wie ein stählerner Leuchtturm im Lichtgewitter. Ragte heraus aus Hitze und Zigarettenrauch. Die Stange war angeblich für Anfänger das beste Mittel, um Füße und andere Teile feuchtzubekommen. Zu gerne hätt sie sich schnell zu der metallenen Sicherheit geflüchtet, vermied es aber, überhaupt in die Richtung zu sehen. Sie hatte keine Zeit, Nacht für Nacht ihre Technik langsam und gleichmäßig zu proben und zu perfektionieren.
Sie hatte nur diese eine Chance für ihre Show.
Tiefes Einatmen. Fühl den Takt der Musik. Fühle den Schweiß. Sei die Venus. Sei die Göttin des Hurentempels. Sei der Inbegriff einer Diva. Sei genau so, wie du tief im Innersten fühlst.
Auf ihr Zeichen hin waberte und zischte Rauch um ihre Fußknöchel. Keine Zeit zu zögern. Hände auf die Hüfte,
Weitere Kostenlose Bücher