Stürmisch verliebt auf Mallorca
strahlend weiße und hübsch mit Ornamenten verzierte Häuserkomplexe. In einem schönen Springbrunnen auf einer Wiese plätscherte Wasser, und hinter einem Hain mit blühenden Mandelbäumen schimmerte das intensive Blau eines Swimmingpools. Alles erweckte den Eindruck, als hätte es nie einen Winter gegeben.
Instinktiv umfasste Lilian den feinen, silbernen Ring, den sie von ihrer Mutter bekommen hatte. Wenn du das sehen könntest! dachte sie. Schließlich war auch ihre Mum noch nie in den Genuss einer solchen Reise gekommen. Lilian war in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen, und ihren Vater hatte sie nie kennengelernt. Ihre Mum hatte sie stets bleich und abgearbeitet in Erinnerung, als eine Frau ohne Träume und Ziele.
Doch Lilian war anders. Schon immer hatte sie ihrem engen Leben entkommen wollen, und mit viel Fleiß und Einsatz hätte sie es auch fast geschafft: Es war nur wenige Monate her, dass sie von einer einfachen Verkäuferin zur Verkaufsstellenleiterin in einem Shopping-Center befördert worden war, und es hatte so ausgesehen, als würde es noch besser kommen. Die Sterne waren zum Greifen nah gewesen, als sie George kennengelernt hatte …
Stopp! sagte sie sich entschlossen. Es hat doch keinen Sinn, die demütigende alte Geschichte immer wieder hervorzuholen. War es nicht besser, nach vorn zu schauen und die Zukunft einfach neu zu erfinden?
Nun endlich hielt der Bus in der Nähe eines größeren Gebäudes, dessen Dach vollständig mit Sonnenkollektoren bedeckt war. Lilian sah sich interessiert um. Offensichtlich machte man sich hier mehr Gedanken um die Umwelt als anderswo. Das beeindruckte sie ebenso wie die zauberhafte Atmosphäre.
Schließlich entdeckte sie noch etwas, das sie augenblicklich in den Bann zog. Aus dem Gebäude trat ein großer, dunkelhaariger Mann, dessen aufrechter Gang Stolz und Gelassenheit ausdrückte. Er war schlank und athletisch gebaut, was in dem legeren, hellen Anzug eindrucksvoll zur Geltung kam. Sein dunkler Teint verlieh seinen ebenmäßigen Gesichtszügen etwas Verwegenes und verriet gleichzeitig, dass er Südländer war.
Im nächsten Augenblick ertappte Lilian sich bei dem Wunsch, dass er zu ihr herüberschauen sollte, doch offensichtlich hatte es der Unbekannte ziemlich eilig, denn schon war er in das bereitstehende Cabriolet eingestiegen, setzte es zurück und fuhr los. Lilian war verblüfft. Hatte sie diesen weißen Wagen nicht vor Kurzem schon einmal gesehen?
In diesem Moment öffneten sich die Türen des Busses, und die ersten Mitreisenden verließen ihre Plätze.
Lilian jedoch brauchte noch einige Sekunden, um sich zu sammeln, denn der Anblick des attraktiven und bestimmt auch wohlhabenden Mannes hatte sie verwirrt. Fast war sie enttäuscht, dass er einfach so verschwunden war. Ihr Herzschlag hatte sich beschleunigt, doch im gleichen Atemzug ärgerte sie sich. Sollte nun jeder gut aussehende Mann, der ein schickes Auto fuhr, sie an ihre schlimmen Erlebnisse erinnern?
George war Vergangenheit, und er hatte es nicht verdient, dass sie noch so oft an ihn dachte. Ja, um Männer seines Schlages werde ich künftig einen großen Bogen machen! überlegte sie. Ich sollte besser aufhören, davon zu träumen, dass ein reicher Prinz erscheint und mich in eine aufregende Welt entführt. Wahrscheinlich hatten ihre Mutter und Sophie sogar recht, wenn sie sie stets von Neuem ermahnten: „Greif nicht nach den Sternen!“ oder: „Das Leben ist eben kein Märchen!“
Nachdenklich verließ sie den Bus, streckte sich und atmete tief ein. Die Luft war mild und durchdrungen von feinem Blütenduft. Wie herrlich! Dann betrat sie das Gebäude, wo sich ihre Mitreisenden bereits vor der Rezeption versammelt hatten.
Lilian jedoch ging zunächst zu der kleinen Bar, die sie in einer Ecke entdeckt hatte, um sich schnell mit einem Kaffee zu stärken. Denn auch wenn sie es nicht wollte, der Unbekannte in dem Cabriolet hatte dafür gesorgt, dass sie sich plötzlich ziemlich schwach fühlte.
Ramiro betrat die Lobby, lächelte in die Runde und gab Sancho ein Zeichen, dass er noch kurz an die Bar gehen wolle. Der Mexikaner folgte ihm.
„Also, was wirst du ihnen Schönes erzählen?“, fragte der Angestellte, der genau wusste, dass Ramiro die Begrüßung der Gäste schnell hinter sich bringen wollte.
„Warum übernimmst du das heute nicht mal?“, entgegnete Ramiro.
„Oh nein, nein“, wehrte Sancho ab. „Du weißt, es ist Teil des Konzepts, dass der Chef persönlich die
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