Stürmisch verliebt auf Mallorca
hatte sie ihn so gesehen. Sein Gesicht war wie eine Maske, völlig verkrampft und ohne jeden Ausdruck von Gefühl. Seine Augen, die sonst schimmerten wie dunkler Samt, wirkten so hart, dass es fast wehtat. Lilian schnappte nach Luft.
„Was ist denn los?“ Sie schrie fast, weil sie es kaum noch ertragen konnte.
Er streckte ihr seine Handfläche entgegen. Auf dem Schal lagen zwei Schmuckstücke, die ihr bekannt vorkamen. Woher bloß? Sie überlegte fieberhaft, dann merkte sie, dass sie viel zu verwirrt war, um einen klaren Gedanken zu fassen. Gleichwohl hatte sie das fein gearbeitete goldene Armband mit dem grünen Stein und den Siegelring schon einmal gesehen, das wusste sie genau. Und plötzlich fiel es ihr ein … aber war das möglich? Alles in ihr weigerte sich, den Gedanken weiterzudenken.
„Als ich dir sagte, dass diese Stücke kostbar sind, meinte ich es vor allem im ideellen Sinn, Lilian.“ Ramiro klang sehr beherrscht, doch die Kälte in seiner Stimme ließ sie innerlich zusammenzucken.
„Wäre der Schmuck wirklich viel Geld wert, würde ich ihn wohl kaum hier in der Wohnung aufbewahren … meinst du nicht auch, Lilian?“
Ihre Fassungslosigkeit bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen, trotzdem fiel es ihm schwer, zu glauben, was er sah. Ramiro hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass sie ihn bestehlen würde. Es fiel ihm sogar schwer, die Worte auszusprechen: „Dieser Diebstahl hat sich nicht wirklich gelohnt.“ Scharf blickte er Lily an. Sie war weiß wie die Wand, doch die gleiche Reaktion hatte er bei ihr ja schon einmal beobachten können, als vor wenigen Tagen ihre erste Lüge aufgedeckt worden war! Wer, zum Teufel noch mal, war diese Person, die da vor ihm stand? Eine unglaublich attraktive Frau, das zweifellos, selbst wenn sie so erschrocken und verzweifelt aussah wie jetzt … doch, was steckte hinter ihrer Fassade? Von wegen zarte Lilie! Waren ihre Liebesbezeugungen etwa allesamt Verstellung gewesen? Hatte er es mit einer talentierten Schauspielerin, einer raffinierten Lügnerin, einer gerissenen Diebin zu tun?
Offensichtlich fiel ihr nichts zu ihrer Rechtfertigung ein, denn sie machte den Mund auf, doch es kam kein Ton heraus. Einen Augenblick sahen sie sich schweigend an, und er musste den Impuls niederkämpfen, sie in die Arme zu nehmen, weil sie so kläglich aussah. Doch ihr Tun war durch nichts auf der Welt zu entschuldigen. Sie hatte es schamlos ausgenutzt, in seinem Apartment allein zu sein. Wie vertrauensselig er gewesen war, als er ihr seine privaten Fotos und die Schmuckstücke gezeigt hatte, die er nun in den Händen hielt. Dabei hatte sich in ihm in den vergangenen Tagen beinahe stündlich das Gefühl verdichtet, dass sie die Frau war, nach der er suchte … Und jetzt das! Der Schal glitt ihm aus den Fingern und sank zu Boden.
Das Entsetzen schlug wie eine mächtige Woge über ihr zusammen. Ramiro hatte ausgesprochen, was ihr größter Albtraum war. Abermals wurde sie für eine Diebin gehalten! Der Horror wiederholte sich. Übelkeit stieg in ihr auf. Schon damals, als George in der Personalgarderobe ihren Schrank kontrolliert und den Schmuck darin gefunden hatte, war sie vor Entsetzten beinahe ohnmächtig geworden. Doch nun kam es ihr vor, als tue sich die Erde zu ihren Füßen auf, um sie zu verschlingen.
Wie in Zeitlupe sah sie den Schal zu Boden gleiten. Sie wollte sich bücken, doch da sackte sie zusammen und fiel in ein tiefes schwarzes Loch. Die Welt um sie her versank.
„Lily!“ Einen Moment zögerte Ramiro, fragte sich, ob sie womöglich simulierte. Dann sagte ihm sein Instinkt ganz deutlich: Nein! Sie war tatsächlich ohnmächtig geworden. Schnell hob er sie auf die Arme und trug sie zum Bett. Wie leicht sie war, wie zerbrechlich …! Doch konnte dies auch die optimale Tarnung sein, um andere Menschen hinters Licht zu führen. Hatte sie sich nicht von diesem Kaufhausbesitzer genau wie von ihm verwöhnen lassen, bevor sie ihn bestohlen hatte? Wie weit war sie wohl damals gegangen?
Als er sie auf die Matratze bettete, sank ihr Kopf zur Seite, die vollen Lippen, die er so gern und leidenschaftlich geküsst hatte, waren leicht geöffnet. Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht und zog rasch die Hand weg, als habe er sich verbrannt. Was tat er denn da? Diese Frau war für ihn gestorben! Er würde warten, bis sie zu sich kam, doch dann war es vorbei. Dass sie ihn hinsichtlich ihrer Herkunft belogen hatte, das war zu verkraften gewesen. Doch dass sie ihn
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