Stürmische Begegnung
hinteren Wand zur Seite geschoben, und ich sah einen Mann.
Ich nehme an, ich hatte jemand Älteren erwartet, der irgend wie zu dem Geschäft und den Antiquitäten paßte, aber das Äußere dieses Mannes warf alle meine Erwartungen über den Haufen. Er war jung, großgewachsen, langbeinig und sehr lässig gekleidet, verwaschene Jeans und eine Jeansjacke, ebenso alt und verwaschen, mit aufgekrempelten Ärmeln, unter denen die ka rierten Manschetten seines Hemds hervorstanden. Er hatte ein Taschentuch um den Hals geschlungen und trug weiche Mokas sins mit Fransen.
In jenem Winter sah man in London die unwahrscheinlichsten Typen in Cowboykleidung, aber er wirkte irgendwie echt, und seine abgetragenen Sachen schienen genauso authentisch zu sein wie er selbst. Wir standen da und sahen uns an, und dann lächelte er, was mich aus irgendeinem Grund aus der Fassung brachte. Ich lasse mich nicht gern aus der Fassung bringen und sagte küh ler, als es eigentlich meine Art ist: „Guten Morgen.“
Er ließ den Filzvorhang wieder vor die Tür fallen und näherte sich auf seinen leisen Sohlen. „Kann ich etwas für Sie tun?“
Er sah vielleicht aus wie ein waschechter Amerikaner, aber sobald er den Mund aufgemacht hatte, war klar, daß dieser Eindruck täuschte. Das ärgerte mich irgendwie. Das Leben mit meiner Mutter hatte mir einige Erfahrung mit Männern im all gemeinen und Angebern im besonderen beschert, und ich kam sofort zu dem Schluß, daß dieser junge Mann ein Angeber war.
„Ich… Ich hätte mich gern nach diesen kleinen Stühlen erkun digt. Die mit der bauchigen Lehne.“
„O ja.“ Er trat vor und legte die Hand auf einen der Stühle. Sie war lang und schmal, mit schönen geraden Fingern, sehr braun gebrannt. „Ich habe aber nur die beiden.“
Ich starrte auf die Stühle und versuchte, ihn zu ignorieren.
„Was sollen sie kosten?“
Er ging neben mir in die Hocke und suchte das Preisschild, und ich bemerkte sein dichtes, dunkles Haar.
„Sie haben Glück“, antwortete er. „Die Stühle sind sehr billig, weil von einem ein Bein abgebrochen ist und nicht sehr fachmän nisch angeleimt wurde.“ Er richtete sich sehr schnell auf, so daß seine Größe mich unwillkürlich überraschte. Seine dunkelbrau nen Augen standen ein klein wenig schräg und hatten einen Aus druck, den ich verwirrend fand. Er flößte mir Unbehagen ein, und meine Voreingenommenheit gegen ihn verwandelte sich in Abneigung. „Fünfzehn Pfund für beide“, sagte er. „Aber wenn Sie ein bißchen Zeit haben und etwas mehr zahlen wollen, kann ich das Bein verstärken und die Bruchstelle vielleicht geschickt furnieren lassen. Dann wäre er stabiler, und man würde nichts mehr sehen.“
„Ist er jetzt nicht stabil?“
„Wenn Sie darauf sitzen, ja“, sagte der junge Mann. „Aber wenn ein großer dicker älterer Herr zum Essen kommt, wird er wahrscheinlich auf seinen vier Buchstaben landen.“
Ich sagte nichts und sah ihn an – kühl, wie ich hoffte. In seinen Augen funkelte ein belustigter Spott, mit dem ich nichts zu tun haben wollte. Ich fand die Andeutung, die einzigen Männer, die zum Essen zu mir kämen, wären groß, dick und älter, ziemlich frech.
Schließlich sagte ich: „Was würde es kosten, wenn ich das Bein reparieren ließe?“
„Sagen wir fünf Pfund. Das hieße, Sie bekämen sie für zehn das Stück.“
Ich überlegte und kam zu dem Schluß, daß ich sie mir so ge rade eben leisten könnte.
„Ich nehme sie.“
„Gut“, sagte der junge Mann, stemmte die Hände in die Hüften und lächelte liebenswürdig, als sei unser Geschäft damit ab geschlossen.
Ich fand, daß er hoffnungslos unprofessionell sei. „Möchten Sie, daß ich jetzt gleich zahle, oder soll ich etwas anzahlen…“
„Nein, das spielt keine Rolle. Sie können zahlen, wenn Sie sie abholen.“
„Und wann sind sie fertig?“
„Ungefähr in einer Woche.“
„Brauchen Sie meinen Namen nicht?“
„ Nur, wenn sie ihn mir sagen wollen.“
„Und was ist, wenn ich nicht wiederkomme?“
„ Dann wird sie wohl jemand anders kaufen.“
„ Aber ich möchte sie haben.“
„Sie werden sie bekommen“, sagte der junge Mann.
Ich runzelte ärgerlich die Stirn, aber er lächelte nur, ging zur Tür und hielt sie mir auf. Kalte Luft strömte herein, es hatte an gefangen zu regnen, und die Straße draußen war dunkel wie in der Nacht.
„Auf Wiedersehen“, sagte er. Ich lächelte kühl, senkte dan kend den Kopf und trat an ihm vorbei ins Freie.
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