Stuermischer Zauber
»Was ist mit Euch, Lord Ballister? Ihr werdet ›der Herr des Donners‹ genannt. Hat sich Eure Kraft früh gezeigt?«
»Erst als ich an der Schwelle zum Erwachsenenalter stand. Aber ich habe schon immer das Wetter geliebt. Je dramatischer, desto besser. Als ich gerade alt genug war, um zu laufen, fand meine Mutter mich oben auf dem höchsten Turm des Schlosses, wo ich mitten in einem Gewittersturm meine Arme in die Luft reckte und lachte und schrie.« Er lächelte nostalgisch. »Ich fand heraus, dass die Wut einer Mutter auch wie ein Gewitter sein kann.«
Gwynne lachte. »Da Ihr ein Macrae seid, vermute ich, Eure Eltern haben schon früh erkannt, dass Ihr ein Wettermagier seid.«
»Aye, es liegt in der Familie. Und wo können wir den Umgang mit dem Wetter besser lernen als in Schottland, wo es sich alle fünf Minuten ändert, auch wenn kein Magier eingreift?« Er grinste schief. »Niemand hat meine Erfolge und Misserfolge bemerkt, als ich zu lernen begann.«
»Ich frage mich, ob das schottische Klima der Grund ist, warum die Macraes stets die besten Wettermacher sind?«
»Vielleicht. Vielleicht liegt in der Luft von Dunrath etwas, das diese Art von Magie fördert.« Er zog eine Grimasse. »Es fördert aber auch unsere Schwächen. Je stärker ein Wettermagier ist, desto mehr wird er durch die Berührung mit Eisen geschwächt. Und das ist ein verdammtes Ärgernis. Die meisten unserer Waffen haben einen Knauf aus Holz oder Messing.«
»Ich habe etwas über die Verbindung zwischen den Wettermachern und der Sensibilität Eisen gegenüber gelesen. Erzeugt das Eisen eine allgemeine Schwäche, oder blockiert es einfach Eure Kraft?«
»Das ist unterschiedlich.« Er wechselte das Thema. »Falconer hat mir erzählt, Ihr seid eine Expertin, wenn es um das Wissen der Wächter geht.«
»Mein Vater war der Bibliothekar von Harlowe, und ich lernte früh, Bücher zu katalogisieren und das Register zu lesen. Ich habe Aufsätze über komplizierte Zusammenhänge geschrieben.« Sie lächelte. »Ich weiß alles über die Macht. Nur wie es sich anfühlt, sie zu haben, das weiß ich nicht.«
»Wissen ist genauso wichtig wie Macht«, sagte er nachdrücklich. »Es ist das Wissen um die Geschichte und unsere eigenen Fehler, das uns unsere Weisheit eingibt. Die Arbeit der Gelehrten der Wächter, wie Ihr eine seid, ist das Gerüst, das uns hilft, unsere Schwüre zu erfüllen.«
»Was für eine hübsche Art, von meiner Arbeit zu denken!« Sie war neugierig, mehr über ihn zu erfahren, und fragte: »Habt Ihr auf Eurer Reise viel erreicht, Lord Ballister? Ich hörte, Ihr wärt einige Zeit nicht in Schottland gewesen.«
»Ich war dort sehr lange nicht.« Sie hatten das Flussufer erreicht, wo ein kleiner Steg in die Themse ragte. »Vor drei Jahren fragte das Konzil bei mir an, ob ich als Gesandter zu den Familien in anderen Ländern reisen kann. Meine Reisen waren erforderlich und wichtig, aber ich habe mein Zuhause vermisst.«
Das Konzil der Wächter wurde von den klügsten und mächtigsten Magiern in England gebildet. Lady Bethany war im Moment die Vorsitzende, was hieß, dass sie Erste unter Gleichen war. Die Vorschläge des Konzils lehnte niemand leichtfertig ab. »Hat die Erfahrung, das Wetter anderer Länder zu erleben, Euch für die lange Abwesenheit von Dunrath entschädigt?«
»Die grundlegenden Prinzipien von Wind, Wolken und Regen sind überall dieselben, aber die Muster und Nuancen sind anders. Der Wind singt mit einer anderen Stimme.« Seine Stimme wurde tiefer. »Ich würde Euch gern die Winde in Italien zeigen, Mylady. Sie sind warm, sinnlich und weicher als das Seufzen eines Liebhabers.«
Ein Windstoß erfasste die beiden und wirbelte Gwynnes Röcke auf. Sie hatte seit ihrer Eheschließung viel über Tändelei gelernt, da viele Männer der jungen Frau eines betagten Earls gern den Hof machten. Sie wusste, wann es sich bei dem Flirt um ein fröhliches Spiel handelte und wann ein Mann ernsthafte Ziele verfolgte.
Lord Ballister war es beängstigend ernst.
Sie ließ seinen Arm los und tat so, als müsste sie ihre Röcke glatt streichen. »Ich hatte gehofft, mein Mann und ich würden reisen, doch seine Gesundheit hat es nicht gestattet.«
»Stellt Euch vor, in Rom, Paris oder Athen zu sein, Lady Brecon. Und vielleicht wird Euch das helfen, diesen Traum zu verwirklichen.« Sein Blick war der eines Mannes, der ein Festmahl erblickte. Ihr Atem beschleunigte sich. Wer hätte gedacht, dass es eine fesselnde Vorstellung sein
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