Sturm der Herzen
sich in seinem Zuhause wohl, aber er reiste auch viel, um Freunde und Verwandte zu besuchen, unternahm gelegentlich eine Reise nach London, wenn er Lust hatte.
Einer der Orte, die er am liebsten besuchte, war das Heim seines Cousins Julian Weston, dem Earl of Wyndham, und seiner reizenden Countess Nell sowie ihrer wachsenden Kinderschar. Charles Weston, ein weiterer Cousin, lebte in der Nähe von Julian; obwohl es in der Vergangenheit Spannungen im Verhältnis zwischen Marcus und Charles gegeben hatte, war er dieser Tage gerne mit Charles zusammen. Erst kürzlich war er aus Cornwall von Charles’ Hochzeit mit einer charmanten jungen Dame zurückgekehrt. Alle, die Charles kannten, waren einhellig der Meinung, dass Daphne Beaumont ihm gut tun würde. Nach der Hochzeit selbst waren Marcus, Nell und Julian noch zu einem längeren Besuch bei den Jungvermählten auf Beaumont Place geblieben. Wenn er an diesen Aufenthalt dachte und das, was sie in den Gewölben unter der alten Normannenfestung entdeckt hatten, durchlief ihn ein unangenehmer Schauer. Es hatte ein paar hässliche Zwischenfälle gegeben, die er nie vergessen würde, und was die Geister betraf … Er schüttelte sich. Hier in der vertrauten, ruhigen Umgebung, dem Normalen , begann Marcus sich zu fragen, ob ihn seine Erinnerung an das, was während der letzten Tage seines Besuches geschehen war, nicht am Ende doch trog. Bei Charles und Daphne auf Beaumont Place, die beide darauf beharrten, dass es stimmte, war es nicht schwer gewesen, ihnen zu glauben, dass in dem alten Haus zwei Gespenster spukten, aber wenn er jetzt auf den Rasen vor seinem Haus im Sonnenschein blickte, kamen ihm wieder Zweifel. Glaubte er wirklich an solche Sachen? Dass Geister von Verstorbenen ihr Unwesen in dieser Welt trieben? Gespenster, die wie Nebelschwaden in der Luft schwebten? Vor seinem Besuch in Beaumont Place hätte er das heftig von sich gewiesen, aber jetzt …
Plötzlich erschien ein Bild von Isabels lebhaften Zügen vor seinem geistigen Auge. Sie hätte keine Sekunde gezögert, daran zu glauben, dass es in Beaumont Place spukte. Sie hätte einen Heidenspaß daran gehabt, sich mit Geistern und Ähnlichem herumzuschlagen. Beinahe musste er lächeln, wenn er sich die Begeisterung vorstellte, die ihr dabei aus den Augen geschienen hätte. Dann aber fiel ihm gerade noch rechtzeitig ein, dass er sich über Mrs Hugh Manning ärgerte, und er runzelte die Stirn. Warum, zum Teufel, konnte sie sich nicht aus seinem Leben heraushalten?
Sie hatte es gehasst, sein Mündel zu sein, und er hatte auch keine ungetrübte Freude darüber empfunden. Wenigstens war er, machte er sich bewusst, nicht länger für sie verantwortlich gewesen, als sie vor beinahe einem Jahrzehnt von dem Schiff aus Indien in England an Land gegangen war. Damals war diese freudlose Aufgabe dem alten Lord Manning zugefallen; er musste sich nun mit ihren Launen und Anfällen herumärgern. Dem Himmel sei Dank dafür, dachte Marcus mit verdächtiger Frömmigkeit.
Natürlich hielt Manning es für keine Last, Isabel und ihren Sohn um sich zu haben. Ihre Ankunft, das musste Marcus gerechterweise zugeben, hatte den Baron vermutlich davor gerettet, schlicht vor Kummer dahinzusiechen. Durch eine Reihe tragischer Unglücksfälle hatte Lord Manning seinen ältesten Sohn Robert und dessen schwangere Frau bei einem Bootsunfall verloren, dann war kaum vier Monate später die Nachricht von Hughs Tod in Indien eingetroffen. Die beiden Briefe, der aus Indien und der aus England, beide mit schlimmen Nachrichten, hatten sich überschnitten. Der alte Mann war am Boden zerstört gewesen, und Marcus fürchtete damals schon, dass sein Lebenswille mit seinen Söhnen gestorben war.
Isabels und Edmunds Heimkehr nach Devon hatte zu einer bemerkenswerten Veränderung in Lord Mannings Befinden geführt. Obwohl er um Robert und Hugh trauerte, der übrigens an einem Schlangenbiss gestorben war, während er im indischen Hinterland Waren für die East India Trading Company in Bombay begutachtete, war Lord Manning überglücklich gewesen, Hughs Witwe und dessen einziges Kind bei sich aufzunehmen. Isabels Vermögen hätte ihr erlaubt zu leben, wo es ihr gefiel, aber es hatte für sie offenbar nie zur Disposition gestanden, irgendwo anders als auf Manning Court bei ihrem Schwiegervater zu leben. Sie hatte in die Gegend ihrer Kindheit zurückkehren wollen, und ihr Sohn Edmund war der Erbe des ältlichen Barons und das einzige Verbindungsglied zu seinem
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