Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
sie früher einige Minuten gekostet hatte, brauchte sie nach all den Übungen in ihren Träumen kaum länger als zwei Herzschläge.
»Einverstanden, ich werde es dir sagen«, kündigte sie an und trat ein wenig zurück, worauf ihr der Kerl unverzüglich folgte, Shila dabei vor sich herschubsend. »Du hast wohl gar keine Angst, dass ich dich anlüge?«
Beim Reich der Tiefe! Sie hatte den Zauber zwar gewirkt – aber es wollte ihr nicht gelingen, ihn mit der nötigen Kraft aufzuladen! Dazu war ihr Funken gegenwärtig zu schwach. Was sollte sie jetzt tun? Bei Meloth! Was sollte sie jetzt bloß tun?!
»Nein, denn das würde ich merken«, antwortete der Mann.
Einen anderen Zauber zu wirken wäre aussichtslos, denn der hätte entweder den Schild nicht durchschlagen oder Shila getötet. In dem Wissen, dass ihr keine Wahl blieb, entschied sich Algha für ihr kaum Erfolg versprechendes Unterfangen …
»Meine Geduld ist am Ende!«, drohte ihr Gegner.
Shila röchelte und verdrehte bereits die Augen. In dieser Sekunde spürte Algha, wie ein Strom in sie floss. Ihr Funken loderte mit nie da gewesener Kraft auf, ihr Körper glühte vor Hitze. Die kalten Augen ihres Feindes weiteten sich fassungslos. Voller Schadenfreude schlug sie zu, schrie aber noch im selben Moment auf, denn ein grauenvoller Schmerz durchschoss ihre Hände.
Der Kerl stieß Shila mit aller Wucht von sich und sprang genau in dem Augenblick zur Seite, als ein Strahl aus rubinrotem Staub seinen Schild durchschlug. Der Mann dagegen zerfloss, verwandelte sich in eine schwarze Silhouette, eine Art Raubtier, etwas, von dem große Gefahr ausging, flackerte kurz auf – und verlosch.
Durch den Raum brandete eine Welle heißer Luft. Obwohl Algha die Tränen in wahren Sturzbächen aus den Augen flossen, schaffte sie es, die Richtung des Zaubers zu ändern und erneut zuzuschlagen. Dicht neben sich hörte sie einen unterdrückten Schrei, Blut spritzte an die Wand, ihr Gegner wurde wieder sichtbar und floh in den Gang, wobei er fast den Mann umstieß, der vor der Tür stand. Im Nu war er verschwunden.
»Bist du in Ordnung?«, fragte Rayl und beugte sich zu Algha vor, die vor Schmerz wimmerte. »Meloth steh mir bei! Was ist mit deinen Händen?!«
»Shila … sieh nach ihr …«
»Sei jetzt tapfer!«, sagte er noch zu Algha, ehe er zu der reglos am Boden liegenden anderen Schreitenden eilte.
Der rubinrote Staub sank langsam auf den Boden und die Möbel. Algha schwankte zur Tür, schlug sie zu, riegelte ab, fühlte sich dadurch aber nicht einen Deut sicherer. Ihre Fingernägel zeigten eine blaue Färbung und bröckelten ab, ihre Hände waren mit Brandblasen übersät, jede Bewegung verursachte ihr entsetzliche Schmerzen.
»Sie lebt«, teilte Rayl ihr mit. »Das Blut braucht uns nicht zu beunruhigen, das sind lediglich Kratzer!«
»Bei Meloth, was war das?!«, fragte Algha und kniete sich neben die bewusstlose Shila.
»Von was für einem Heiler hat der Kerl gesprochen?!«, fragte Rayl seinerseits.
»Ich habe keine Ahnung. Danke, dass du meinen Funken aufgeladen hast. Ohne dich hätte ich das niemals geschafft.«
Er lächelte.
»Du hast dich großartig geschlagen! Dergleichen habe ich noch nie gesehen«, sagte Rayl, stand auf und besah sich den rubinroten Staub genauer. »Dieses Zeug bringen doch eigentlich nur diejenigen zustande, die mit dem Reich der Tiefe gemeinsame Sache machen … Wer hat dir denn diesen Zauber gezeigt?«
Algha schüttelte bloß den Kopf.
Das war nicht der Zeitpunkt, lange Erklärungen abzugeben, schließlich schwebten sie nach wie vor in großer Gefahr.
Obendrein beschäftigte sie in dieser Sekunde nur eine Frage: Warum hatte dieser Kerl sie nicht bereits unterwegs angegriffen? Auf der Straße. Da hätte er jede Gelegenheit gehabt, sie in seine Gewalt zu bringen. Stattdessen hatte er sich jedoch in Burg Donnerhauer eingeschlichen und sich einem weit größeren Risiko ausgesetzt …
Kapitel
3
Der verhasste Männerkörper bereitete Thia mal wieder eine seiner liebreizenden Überraschungen. Sie litt fürchterliche Qualen.
Beim Reich der Tiefe – wann bin ich eigentlich das letzte Mal krank gewesen?, dachte sie verdrossen. Bis vor Kurzem hatte sie sich jedenfalls nicht einmal mehr an all diese ekelhaften Empfindungen erinnert. Nun aber, gefangen in diesem Körper, fühlte sie sich wie eine alte Ruine und meinte, über ihre Knochen presche eine Reitereinheit hinweg. Husten und Schnupfen ärgerten sie schon genug, waren jedoch
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