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Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)

Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)

Titel: Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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fliehen.
    Sobald die Sterne verblassten und die ersten Vögel ihr Gezwitscher anstimmten, gab Algha jeden weiteren Überzeugungsversuch auf.
    »Es ist deine Entscheidung, Mitha«, sagte sie. »Ich kann und ich werde hier nicht tatenlos herumsitzen. Uns wird niemand helfen. Die Freiheit musst du dir schon selbst erkämpfen.«
    Da Mitha nicht antwortete, seufzte Algha nur verärgert. Gut, dann bräuchte sie sich also nur um ihr Leben Gedanken zu machen. Sie stopfte den Saum des Rocks unter den Taillenbund, sodass sie kurz darauf in einer Art Pumphose dastand. Das würde ihr das Klettern vereinfachen, denn nun würde sich der Stoff nicht um ihre Beine wickeln oder irgendwo hängen bleiben.
    Anschließend flocht sie ihr dickes schwarzes Haar zu zwei Zöpfen, zog sich die Schuhe aus und steckte sie auf dem Rücken hinter ihren ledernen Gürtel. Für diese Variante hatte sie sich entschieden, weil sie die Schuhe nicht nach unten werfen und dann nach dem Abstieg suchen wollte. Schließlich war nicht gesagt, dass ihr überhaupt Zeit dafür blieb …
    Und dass sie den Abstieg barfuß bewältigen wollte, war ihr von Anfang klar gewesen. Das Gesims war zu schmal, um ihr Leben Schuhen anzuvertrauen.
    Schon bald tagte es. Ohne das Wort noch einmal an Mitha zu richten, setzte sich Algha, den Rücken der lockenden Freiheit zukehrend, aufs Fensterbrett, hielt sich mit beiden Händen am Rahmen fest und kletterte hinaus. Vorsichtig tastete sie mit dem Bein nach dem Vorsprung. Als sie sich vergewissert hatte, dass er ihr Gewicht tragen würde, stellte sie auch den zweiten Fuß darauf.
    Jetzt musste sie an der glatten Wand entlangwandern. Mit dem Gesicht gegen den rauen Stein gepresst, tastete sie nach Rissen und Vorsprüngen. Sie bewegte sich langsam wie eine Schnecke vorwärts und verbot sich jeden Gedanken an die Höhe und daran, was geschehen würde, verlöre sie das Gleichgewicht. Ihre Finger und Füße durften sie einfach nicht im Stich lassen!
    Der Stein war kühl und flößte ihr nicht gerade Vertrauen ein. Mit gespreizten Armen gegen die Wand geschmiegt, brachte sie Zoll um Zoll hinter sich. Die Schuhe drückten ihr im Rücken und beeinträchtigten ihren Gleichgewichtssinn. Ihr Herz hämmerte vor Furcht. In einer flüchtigen Sekunde wollte sie sogar schon kehrtmachen – aber da zeigte sich, dass die Regenrinne bereits näher lag als das Fenster.
    Gerade färbten die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne die Steinwand rosa.
    Die Regenrinne war nun zum Greifen nahe. Gleich einer verzweifelten Katze klammerte sie sich an das Gitter und begann, sich daran hinunterzuhangeln. Es war nicht leichter als der bisherige Weg, denn über das Gitter wucherte eine Kletterpflanze, die sie, da schon verblüht und stechend, stark behinderte. Plötzlich hörte Algha zudem Schritte. Reglos hielt sie inne und presste sich flach ans Gitter.
    Unter ihr lief jemand entlang und gähnte herzhaft.
    Sobald die Gefahr vorüber war, setzte sie den Abstieg fort. Er dauerte noch über eine halbe Stunde. Unten angelangt, zitterten ihre Hände, schrien ihre Muskeln vor Erschöpfung. Sie legte den Kopf in den Nacken und blickte zu dem Fenster hoch, hinter dem ihre Zelle lag. Dann rannte sie in den Garten. Spitze Steine und abgebrochene Zweige bohrten sich ihr in die nackten Füße, aber Algha achtete nicht auf den Schmerz und lief weiter. Erst bei den Linden blieb sie stehen, ließ sich zu Boden sacken und atmete tief durch.
    Sie zog ihre Schuhe hinter dem Gürtel hervor, schlüpfte hinein – und vernahm hinter sich ein spöttisches Lachen und Beifallklatschen. Mit stockendem Herzen drehte sie den Kopf und blickte dem hochzufriedenen Kadir ins Gesicht, der zehn Schritt vor ihr stand. Er hatte seinen Stab nicht dabei, trug auch nicht den weißen Umhang, sondern ein leichtes Baumwollhemd, Hosen und spitz zulaufende Schuhe.
    »Du hast doch wohl nicht geglaubt, ich wäre so leichtsinnig, nicht ans Fenster zu denken? Pah! Noch bevor du dich überhaupt zu deinem kleinen Spaziergang aufgemacht hast, wusste ich bereits Bescheid. Du bist geschickt wie eine Manguste, Schreitende. Trotzdem habe ich für den Bruchteil einer Sekunde befürchtet, du würdest abstürzen.«
    Algha sah ihm fest in die Augen und tastete blind mit einer Hand den Boden ab. Da eine Linde sie weitgehend verbarg, entging dem Nekromanten diese Bewegung.
    »Das ist wirklich eine beachtliche Höhe«, fuhr Kadir fort. »Dass du dich zu diesem Schritt durchgerungen hast …«
    »Mit etwas

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