Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
Willensstärke war das gar nicht so schwierig.«
Endlich glitten ihre Finger über einen Stein.
»Du bist hartnäckig«, lobte Kadir sie. »Herr Ka hat mich schon gewarnt, dass es Schwierigkeiten mit dir geben würde. Und jetzt steh auf. Der Spaziergang ist beendet.«
Voller Verzweiflung schleuderte sie ihm den Stein ins Gesicht. Der Nekromant zeigte die gleichen Reflexe wie jeder Mensch: Er riss die Hände vors Gesicht und stolperte zurück. Das nutzte Algha, um davonzustürzen, dabei zwischen den Bäumen wilde Haken schlagend. Fünf Sekunden später flog mit fürchterlichem Geheul eine Kette von Schädeln an ihr vorbei, bohrte sich donnernd in die unschuldigen Linden und zersägte die Bäume in Tausende spitzer Späne.
Einige von ihnen kratzten Algha das Gesicht blutig. Sie schrie auf, fiel zu Boden, sprang wieder hoch und floh weiter. Da es bis zum Wald sehr weit war, fürchtete sie, der ergrimmte Kadir würde sie früher oder später einholen. Deshalb rannte sie so schnell sie konnte, während hinter ihr die Schädel heulten und es donnerte und krachte.
Irgendwann hatte ihr Verfolger sie fast eingeholt. Daraufhin suchte sie in einem einzelnen Akazienbusch Deckung und presste sich auf den Boden, obwohl sich scharfe Dornen in ihr Fleisch bohrten. Das Gras war noch feucht vom Tau und duftete nach Linden. Der Nekromant raste an ihr vorbei in Richtung Teich. In seiner Wut bemerkte er sie nicht – obwohl sie doch nur zwei Yard von ihm entfernt kauerte.
Sobald er verschwunden war, stürzte sie in die entgegengesetzte Richtung davon. Ohne jeden Zweifel waren die Zauber Kadirs den anderen Funkenträgern nicht verborgen geblieben. Bald würde es hier von Menschen wimmeln. Wie sollte sie da entkommen? Wie einer neuerlichen Gefangenschaft entgehen?
Trotzdem gab Algha nicht auf. Wenn sie schon nicht gewinnen konnte, dann wollte sie diese Widerlinge wenigstens ein bisschen auf Trab halten. Und zwar buchstäblich.
Sie keuchte, litt an Seitenstichen, die Erschöpfung flüsterte ihr ein, sie möge doch eine kurze Pause einlegen. Dieser Versuchung gab sie jedoch nicht nach. Sie vertrieb den Gedanken daran wie eine lästige Fliege und rannte weiter durch den verwilderten Garten.
Irgendwann gelangte sie an eine Steinmauer und lief daran entlang. Schon nach kurzer Zeit entdeckte sie einen Spalt in ihr. Ein durch ein Unwetter entwurzelter Baum hatte eine Bresche geschlagen, die Algha nun nutzte, um das Anwesen zu verlassen. Auf der anderen Seite der Mauer musste sie sich durch Brennnesseln und Gestrüpp schlagen, erreichte dann aber die Straße.
Auf der sie fast ein Pferd überrannt hätte.
Der Reiter konnte sein Tier nur in letzter Sekunde davon abhalten, indem er es dazu brachte, sich aufzubäumen. Die Vorderhufe trommelten neben Alghas Kopf auf die Luft ein. Algha fiel rücklings zu Boden, rollte sich allerdings sofort zur Seite, sprang auf, raste wie von Sinnen los – und prallte gegen ein zweites Tier. Abermals ging sie zu Boden, diesmal schmerzhafter als beim ersten Sturz.
Der erste Reiter saß ab und kam stark humpelnd auf sie zu. Er streckte ihr seine breite, schwielige Hand entgegen. Algha sah ihn verwundert an. Er hatte grobe Gesichtszüge, kurz geschnittenes Haar mit grauen Schläfen, eine Hakennase und einen roten Schnurrbart.
Ein Nordländer.
Für den Bruchteil einer Sekunde regte sich in ihr die Hoffnung, es könnte ein Mann des Imperiums sein. Doch schon im selben Augenblick nahm sie die Gabe des Mannes wahr. Das Lächeln gefror ihr auf den Lippen.
Der Funken dieses Mannes war dunkel.
Kapitel
26
Auf den Schwalbenschwanz folgte der Angriff des Falken, auf diesen die Eherne Mauer, der Pflug und der Wasserfall: Die schmale Klinge zerschnitt die Luft wie ein blauer Blitz, beschrieb unvorstellbare Muster, traf immer wieder auf feindlichen Stahl und sprühte Funken.
Der Mann bewegte sich seitlich, wie eine alte Krabbe, wechselte ständig die Griffhaltung des Langschwerts und ließ seine beiden Gegner nicht aus den Augen.
Der Rechtsseitige Stier, die Drossel, die Krause Seide, der Steinerne Rock, die Zunge, der Hagel, das Schwarzhörnchen und die Feuerrache – all diese Angriffs- und Verteidigungsschläge lösten einander ab, verschmolzen zu einer einzigen ununterbrochenen Bewegung. Seine Gegner zielten vor allem auf seine Beine, während er ihre Attacken schweigend, wütend und wie besessen parierte. Unablässig zerschnitt die bläuliche Klinge die Luft und verteidigte ihren Herrn.
Als der Schmerz im
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