Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
unvernünftig du bist! Der Medikus hat dir verboten, das Knie zu belasten.«
Alenari war bereits angekleidet, saß auf dem Bett und kraulte den Uyg hinterm Ohr. Dieser kniff die gelben Augen zusammen und schnurrte wohlig. Ley-ron nahm das Tier auf seinem Bett missbilligend zur Kenntnis, verlor aber kein Wort, sondern erbrach schweigend das Siegel.
»Wolltest du heute nicht länger schlafen als gewöhnlich?«, fragte er Alenari.
»Ausschlafen können wir, wenn wir diesen Krieg gewonnen haben.«
Er bedachte sie mit einem forschenden Blick. Früher war es ihm schwergefallen zu begreifen, welche Gefühle sich hinter dieser kalten Maske verbargen. Heute indes konnte er in ihren Augen lesen.
»Was ist geschehen?«, fragte er.
»Vor dir lässt sich wirklich nichts verheimlichen«, sagte Alenari. »Ich habe mit Mithipha gesprochen.«
»Und?!«
»Die Neuigkeiten sind alles andere als erbaulich. Ihre Armee ist vollständig zerschlagen. Sie selbst konnte sich wie durch ein Wunder retten.«
Ley unterdrückte seine Wut, überflog das Schreiben, ließ es zu Boden segeln und äußerte sich erst dann zu dieser Eröffnung: »Bei Ug, schlimmer hätte es kaum kommen können.«
»Da hast du recht«, erwiderte Alenari und hielt kurz im Streicheln inne.
»Aber ich habe dir immer gesagt, dass es ein unverzeihlicher Fehler ist, Mithipha eine Armee anzuvertrauen.«
»Wir hatten leider keine andere Wahl.«
Er nickte mit finsterer Miene und überließ sich seinen Gedanken. Talki und Rowan, auf die er so gehofft hatte, waren tot – und damit stand der Erfolg ihres gesamten Unternehmens auf dem Spiel.
»Wie hat diese Graue Maus das fertiggebracht? Ihre Armee war immerhin doppelt so stark wie die des Imperiums. Sie hatte drei von meinen Regimentern, alles vortreffliche Krieger! Wie konnte sie es da zulassen, dass eine solche Streitmacht von einem Haufen ausgemergelter Soldaten und drei Dutzend Nirithen zerschlagen wird?«
»Wir sollten wohl davon ausgehen, dass es etwas mehr Nirithen waren. Aber gut, selbst das rechtfertigt Mithiphas Niederlage nicht. Wie sie berichtet, ist der Grokh-ner-Tokh plötzlich erwacht.«
»Wo ist sie jetzt?«, wollte Ley wissen und ließ die Finger knacken.
»Auf dem Weg zu uns. Behauptet sie jedenfalls. Ihre Niederlage ist allerdings nicht die einzige schlechte Nachricht.«
»Fahr nur fort«, sagte Ley müde. »Ich glaube nicht, dass mich heute noch etwas erschüttern kann.«
»Ihr Funken ist stark geschwächt, sie hat ihre alte Stärke noch immer nicht zurückgewonnen …«
»Was heißt, dass sie uns kaum von Nutzen sein wird«, fiel Ley Alenari ins Wort. »Haben sich die bösen Überraschungen damit erschöpft?«
»Nein. Sie hat Thia umgebracht.«
Ley ließ sich gegen die Lehne zurücksinken und schloss fassungslos die Augen. Peinigende Stille breitete sich aus.
»Mitunter glaube ich, all das ist eine Strafe Ugs«, presste er nach einer Weile heraus. »Das ist ein herber Verlust für uns. Ich hatte so gehofft, dass Thia sich uns am Ende doch wieder anschließt. Andererseits erklärt das auch Mithiphas Niederlage. Thia hat sich ihr entgegengestellt, oder?«
»Ja.«
»Aber warum?«
»Ich bitte dich!«, entgegnete Alenari. »Mithipha hat Rethar damals eine Falle gestellt. Thia musste sich irgendwann rächen. Es hätte mich gewundert, wenn sie diese Gelegenheit nicht genutzt hätte.«
»Es tut mir leid um Thia«, sagte Ley und rieb sich mit düsterer Miene das Kinn. »Vor allem, da ich verstehe, weshalb sie sich gegen uns gestellt hat.«
»Sie hat uns verraten. Dafür hat sie den Tod verdient«, widersprach Alenari mit harter Stimme, um dann in sanfterem Ton hinzuzufügen: »Obwohl sie in gewisser Weise womöglich doch einen Sieg errungen hat. Wir sind jetzt nur noch zu dritt, Ley … Drei Menschen aus einer anderen Welt, die versuchen, diese hier zu ändern.«
»Und das wird auch gelingen«, behauptete er trotzig. »Sicher, nach Mithiphas Niederlage ist es etwas schwieriger geworden, als ich bisher angenommen hatte. Deine Nachhut steht nun ohne Deckung da. Verstärke sie und schicke kleine Einheiten aus, die die Gegend weit im Umkreis auskundschaften.«
»Das habe ich bereits getan. In dieser Frage brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Unsere Feinde müssen sich nach der Schlacht in Bragun-San erst neu formieren, ihre Vorräte aufstocken und neue Truppen ausheben. Die nächsten drei Wochen dürfen wir also beruhigt sein.«
»Noch beruhigter wäre ich, wenn mir mein Plan nicht
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