Sturm: Die Chroniken von Hara 4 (German Edition)
Burg ist noch gut in Schuss, Mylord Rando«, berichtete er.
»Auch das Tor?«
Das war die entscheidende Frage.
»Leider nicht, Mylord. Die Angeln sind völlig durchgerostet, ein Flügel hängt kaum noch in seiner Verankerung. Das dürfte uns also keine große Hilfe sein. Immerhin gibt es aber ein schmiedeeisernes Gitter, das an einer Kette heruntergelassen werden kann. Allerdings ist es ebenfalls schon rot vor Rost.«
»Trotzdem – das ist immerhin etwas. Was ist mit der Brücke?«
»Auch sie ist noch in Ordnung. Sie lässt sich zwar nicht hochziehen, ist dafür aber sehr schmal.«
»Bestens.«
»Wir müssten die Nacht durchreiten, um die Burg zu erreichen«, fuhr der Ye-arre fort.
»Dann sollten wir unverzüglich aufbrechen«, entschied Rando die Sache.
Die beiden ausgeschickten Flatterer kehrten erst zwei Stunden nach Einbruch der Dämmerung völlig ausgelaugt zurück. Sie waren lange dicht über dem Erdboden gekreist, um uns zu finden. Wenn Typhus’ Pferd nicht leise gewiehert hätte, dann hätten sie vermutlich noch länger in der Luft zubringen müssen.
Wir mussten eine kurze Rast einlegen, damit Shen die Erfrierungen der beiden Brüder heilen konnte, die sie sich in dem eisigen Wind hoch oben in den Lüften zugezogen hatten.
Was sie zu berichten hatten, munterte uns nicht gerade auf.
Die Nabatorer hatten so weit zu uns aufgeschlossen, dass sie nur noch drei, vier Stunden von uns trennten. Erst als sie die Hand kaum noch vor Augen erkennen konnten, hatten sie die Verfolgung notgedrungen eingestellt. Noch schlechter standen die Dinge in der Nachbarschlucht. Die Nabatorer dort ließen sich selbst durch die Dunkelheit nicht abhalten, sondern setzten alles daran, uns zu überholen. Sollte ihnen das glücken, könnte uns der Feind mühelos in die Zange nehmen.
Wir alle wussten, dass wir das auf gar keinen Fall zulassen durften. Deshalb brachen wir die Rast nach kürzester Zeit wieder ab und eilten weiter.
Die Nacht war furchtbar. Der Himmel bezog sich, Wolken schoben sich vor die Sterne und den Mond. Es schien, als habe ein Gow alles Licht dieser Welt verschluckt, so düster wirkte es. Waren wir bisher schon langsam vorangekommen, wurde es jetzt noch schlimmer. Rona, die nach dem im Sattel zugebrachten Tag ohnehin müde war, ließ trotz allem sechs kleine, kaum apfelsinengroße gelbe Kugeln aufflammen, die sie unter der Einheit verteilte. Obwohl sie nur sehr trübes Licht spendeten, bewahrten sie uns davor, Zeit mit der Suche nach dem Pfad zu vergeuden.
Zu allem Überfluss prasselte der Schnee mit riesigen Kristallen auf uns ein, fast wie Erbsen, die aus einem Topf mit durchlöchertem Boden fielen. Wir alle, Mensch wie Tier, mussten unser Äußerstes geben. Rando kämpfte sich immer wieder von der Spitze des Zuges bis zum Ende durch, um die Männer aufzumuntern. Er versuchte zu scherzen, was ihm zwar nicht gut gelang, trotzdem flößte er seinen Soldaten damit neue Kraft ein.
Eine Stunde vor Tagesanbruch verstärkte sich der Schneefall noch. Mit einem Mal funkelte irgendwo hinter uns etwas auf, kurz darauf klang aus der Ferne ein Heulen zu uns heran.
»Treffer!«, sagte Rona und blickte die anderen, die erschrocken dreinschauten, lächelnd an. »Jemand von denen ist in meine Falle getappt. Und ich hatte schon befürchtet, dass ich meine Kräfte umsonst verschwendet habe.«
Kaum dass die Morgendämmerung heraufzog, erhoben sich die Ye-arre erneut in die Lüfte. Sie mussten jedoch fast unverzüglich zurückkehren: Der Wind drohte, ihnen die Flügel zu brechen. Wir umrundeten den Ausläufer eines schneebedeckten, riesigen Felsens, danach war es bis zu unserem Ziel nur noch eine Viertelleague.
Der unter dem Schnee verborgene Pfad teilte sich, die eine Abzweigung führte nach links in die Nachbarschlucht, die andere, die wir nehmen mussten, erweiterte sich zu unserer Überraschung und verwandelte sich in eine alte, wenn auch schlechte Straße, die geradewegs bergauf kroch. Die Felsen rückten nun auseinander, genau wie am Wachturm, der beim Zugang zur Treppe des Gehenkten stand. Nur waren die Hänge hier nicht so steil.
Mylord Rando schirmte die Augen mit der Hand ab und versuchte, die Burg auszumachen, die ein weißer Nebelschleier jedoch dem Blick entzog.
Yalak, der trotz der widrigen Witterungsverhältnisse einen Flug gewagt hatte, spreizte die Flügel und kam im Sturzflug vom Himmel geschossen. Bei der Landung führten die Schneeflocken einen wilden Tanz um ihn herum auf.
»Sie sind sehr
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