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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und hatte die Beine hochgelegt, sodass er mit seinen schwarzen Hosen einige Instrumente verdeckte, was ihn aber nicht zu stören schien. Das Steuerhorn auf seiner Seite – der Außenring nur zu zwei Dritteln geschlossen, oben offen wie ein Sportlenkrad aus längst vergangenen Zeiten – funktionierte nicht. Jedenfalls hatte der Alte das behauptet, und Dirk sah keine Veranlassung, diese Aussage anzuzweifeln. Also war er Jurijs Aufforderung nachgekommen, die Plätze zu tauschen, damit dieser den arabischen Funkverkehr abhören konnte, den Dirk aufgeschnappt hatte.
    Dirks Seite war auf Autopilot geschaltet. So bezeichnete Jurij die zwei Kunststoffspanner, mit denen er das Steuerhorn festgezurrt hatte. Immerhin hatte er die Lisunov damit auf sanften Steigflug und einen zwischen zwei Bergen hindurchführenden Kurs eingestellt, was den unablässig näher rückenden Gipfeln des Atlasgebirges jedoch bald nicht mehr gerecht werden würde, auch wenn es die Maschine im Augenblick weit genug vom Boden und einigermaßen gerade in der Luft hielt.
    Jurij schien dies nicht im Geringsten zu kümmern. Er hatte die Augen zu schmalen Schlitzen geschlossen, und so, wie er dasaß, hätte sich Dirk nicht gewundert, wenn Schnarchgeräusche aus seiner Richtung zu hören gewesen wären.
    Trotzdem war er sicher, dass Jurij hellwach war und ihm weder der Funkverkehr noch irgendetwas anderes entging, das für die Sicherheit seines Flugzeugs wichtig war.
    Dirk musste einfach daran glauben, denn wenn er allein die Lisunov hätte steuern und dabei auch noch ihren lästigen Verfolger hätte abhängen sollen, wären sie alle verloren gewesen.
    Doch nicht dieser Gedanke hatte ihn aufgeschreckt, sondern die Frage, wer sich in dem Hubschrauber befand. Die Frage, ob vielleicht ein sechzehnjähriges Mädchen an Bord war, das in jenem kurzen Moment, als der Helikopter neben den Seitenfenstern der Lisunov auftauchte und sich Dirk dem Blick ihrer Insassen zu verbergen versuchte, den Kopf seines Vaters hatte aufblitzen sehen. Was, wenn der Hubschrauber noch einmal auf der Steuerbordseite vorbeigezogen war und Akuyi wiederum ihren Vater gesehen hatte, nur diesmal am Funkgerät? Konnte sie das nicht zu der verzweifelten Aktion verleitet haben, das Mikrofon des Funkgeräts an sich zu bringen und ihn direkt um Hilfe zu rufen?
    »Jurij!«, brüllte Dirk.
    Der alte Mann öffnete die Augen, wandte den Kopf aber nicht in seine Richtung. »Was gibt es?«, brummte er.
    »Meine Tochter ist in dem Hubschrauber.«
    Er hatte das eigentlich gar nicht sagen wollen, schließlich konnte er sich dessen nicht sicher sein. Du hast dir nur eingebildet, ihre Stimme zu hören, bohrte etwas in seinem Unterbewusstsein, genauso, wie du dir eingebildet hast, sie in der Grotte zu sehen.
    Jurij wirkte nicht sonderlich beeindruckt. Seine Augenlider rutschten wieder ein Stück nach unten. »Aha.«
    »Ich habe sie gehört! Sie hat mit mir gesprochen!«
    »Natürlich«, murmelte Jurij. »Ich habe den Kopfhörer auf, aber du hörst Stimmen. Ich kann dir sagen, woher das kommt: Akuter Wodkamangel.«
    Wodka war das Letzte, was Dirk jetzt interessierte, und Jurijs Bemerkung fand er nur dämlich.
    »Sie hat mit mir gesprochen, als ich den Kopfhörer trug.«
    Jurij winkte ab. Er schien aufmerksam den Funkverkehr zu verfolgen, schnappte vielleicht gerade etwas Wichtiges auf.
    »Ich weiß nicht genau, was ich da höre und ob das Gespräch von dem Hubschrauber aus mit einer Bodenstation geführt wird oder mit einer weiteren Maschine, die zu uns unterwegs ist«, sagte Jurij schließlich, »aber die Sache gefällt mir ganz und gar nicht.«
    »Und mir gefällt es nicht, dass meine Tochter in dem Hubschrauber ist, sich unter Lebensgefahr das Funkgerät geschnappt hat, um mit mir Kontakt aufzunehmen – und wir sie nun hängen lassen:«
    Jurij warf ihm aus den Augenwinkeln einen Blick zu. »Warum hast du mir nichts davon erzählt, als wir die Plätze getauscht haben? Das ist doch ein bisschen seltsam, nicht wahr?«
    »Da wusste ich es noch nicht!« Als Dirk Jurijs verächtliches Lächeln sah, fügte er heftig hinzu: »Ich musste mir erst einmal darüber klarwerden, was ich gehört hatte!«
    »Weißes Rauschen«, sagte Jurij knapp.
    »Was?«
    »Weißes Rauschen«, wiederholte Jurij. »Ein Gemisch unterschiedlicher Frequenzen, in das man alles Mögliche hineininterpretieren kann. Eine Berufskrankheit von uns Fliegern. Manche Piloten hören Stimmen, wenn Flugzeugmotoren auf Schubumkehr geschaltet werden,

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