Sturm: Roman (German Edition)
nicht.
Zumindest glaubte er das, bis er sich zurücklehnte und die Augen schloss.
Da vernahm er plötzlich eine Stimme Zuerst war es nicht mehr als ein Stimmchen, das sich kaum von dem atmosphärischen Rauschen abhob. Doch dann wurde es kräftiger.
Dirk kannte weder die Sprache noch verstand er die einzelnen Wörter. Aber irgendetwas an der Stimme kam ihm vertraut vor.
Alarmiert richtete er sich auf. Obwohl ihm die Lautstärke bereits unangenehm war, regelte er sie noch einmal kräftig hoch.
»Papa!«
Dirk wäre um ein Haar aus dem Sitz gesprungen, so sehr elektrisierte ihn dieses eine Wort – und die Stimme, die er jetzt sehr wohl erkannte.
Es war Akuyi.
»Papa!«, wiederholte sie. »Hilf mir! Komm schnell. Hier wird es ein fürchterliches Unglück geben …«
Dirks Hand zuckte vor, um den Lautstärkeregler bis zum Anschlag aufzudrehen. Dabei streifte sie das Stellrad, mit der Folge, dass der Rest von Akuyis Satz in einem fürchterlichen Prasseln und Pfeifen unterging.
»Verdammt!«, schrie Dirk außer sich. Er wollte zum Stellrad greifen, doch dann besann er sich. Wildes Herumkurbeln würde alles nur noch schlimmer machen. Er sollte besser versuchen, mit Fingerspitzengefühl nachzuregeln, bis er Akuyi wiedergefunden hatte.
Aber das war alles andere als einfach, denn seine Hand zitterte so stark, dass er sich kaum traute, das Stellrad überhaupt zu berühren. Jurij rief irgendetwas, das er nicht verstand und auch gar nicht verstehen wollte. Es war ihm vollkommen egal, was der deutsch-russische Pilot von ihm wollte, es war ihm egal, wohin er die Lisunov steuerte, es war ihm egal, ob der Hubschrauber hinter ihnen sie unter Beschuss nehmen und Rastalocke mit einer Salve aus dem Maschinengewehr antworten würde – ihm war alles egal bis auf Akuyi, deren Stimme durch seine vermaledeite Ungeschicklichkeit nun verstummt war.
Sein bebender Zeigefinger strich beinahe zärtlich über das Stellrad. Ganz langsam setzte es sich nach rechts in Bewegung. Das Zirpen und Fiepen wurde stärker, das Prasseln und Rauschen, das ihn an das geheimnisvolle Raunen von Bäumen in einem tiefen, dunklen Wald erinnerte, hingegen schwächer – die verkehrte Seite. Er versuchte es auf der anderen, diesmal etwas zu ungestüm …
»… musst mir sofort helfen …«
Die Verbindung brach erneut ab. Dirk spürte, wie sich seine Nackenhaare sträubten. Ein Zittern ging durch seinen Körper. Er brauchte einige scheinbar endlose Sekunden, bis er sich so weit beruhigt hatte, dass er das Stellrad wieder mit winzigen Rucken bewegen konnte.
Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Erneut ertönte Akuyis Stimme aus den Lautsprechern des klobigen Kopfhörers.
»… sonst werde ich sterben …«
Dann herrschte Totenstille. Nichts zirpte oder rauschte, kein atmosphärisches Knacken und Knistern war zu hören. Bis plötzlich eine kräftige Männerstimme etwas auf Arabisch sagte.
Es waren nur ein paar Worte. Aber sie klangen wie eine finstere Drohung.
Kapitel 25
Ein Flugzeug zu fliegen war so ungefähr das Letzte, was sich Dirk je hatte vorstellen können. Hätte man ihm prophezeit, dass er eines Tages mit geistesabwesender Ruhe hinter dem Steuer einer Maschine sitzen würde, hätte er wohl laut und ausgiebig gelacht. Zum Lachen war ihm momentan allerdings nicht zumute, ganz im Gegenteil.
Es war höchstens fünf Minuten her, dass er Akuyis Stimme gehört hatte. Fünf Minuten, in denen seine anfängliche Freude erst in Schrecken und dann in Entsetzen umgeschlagen war. Akuyi war in Afrika – zumindest hatte Kinah das behauptet. Vielleicht war sie gerade jetzt ebenfalls in einem Flugzeug unterwegs, vielleicht sogar in dieselbe Richtung wie er, auch wenn sie zusammen mit Safrin über Ägypten hatte reisen sollen. Trotzdem: Wie war es möglich, dass sie Funkkontakt mit ihm aufnahm?
Natürlich war es möglich, und sein Verstand suchte fieberhaft nach einer Erklärung, wie sie davon Wind bekommen haben könnte, dass er und Kinah in Jurijs alter Klapperkiste flogen. Doch alle Versuche, sich etwas plausibel zu machen, was beim besten Willen nicht plausibel war, scheiterten letztlich an einem Punkt: Akuyi konnte unmöglich wissen, dass kein regulärer Pilot oder Kopilot am Funkgerät saß, sondern er.
Es sei denn … Ja, es gab eine Möglichkeit. Sie war allerdings dermaßen unwahrscheinlich, dass er sich weigerte, sie überhaupt in Betracht zu ziehen. Und doch …
Dirk warf einen Blick zur Seite. Jurij lümmelte sich im Sitz des Kopiloten
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