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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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andere, wenn Hubschrauberrotoren hochdrehen. Am häufigsten kommt es vor, wenn man einen Kopfhörer aufsetzt und sich zwischen verschiedenen Sendern auf das Rauschen konzentriert. Dabei haben schon gestandene Kapitäne plötzlich ihre tote Mutter sprechen hören, und Funker haben Stein und Bein darauf geschworen, dass sie sich mit ihrer Freundin unterhalten haben, obwohl die auf einem anderen Kontinent mit einem anderen Mann im Bett lag.«
    »Ich weiß, was weißes Rauschen ist!«, fauchte Dirk. »Aber das war es nicht. Ich habe ihre Stimme laut und deutlich gehört.«
    »Aha. Und was hat sie gesagt?«
    »Dass sie in Gefahr ist. Dass sie Hilfe braucht.« Dirk biss sich derart heftig auf die Unterlippe, dass ein dünner Blutfaden darüber rann. »Wir müssen doch etwas tun, verdammt!«
    »Natürlich braucht deine Tochter Hilfe.« Jurijs Stimme hatte plötzlich einen scharfen Unterton. »Aber doch nicht hier, sondern in Ruanda. Oder habe ich da irgendetwas missverstanden – oder nicht mitbekommen, weil ihr es mir verschwiegen habt?«
    »Was hätten wir denn verschweigen sollen?« Dirk dachte an die Leiche Achmeds, an der sich Venturas Leute zu schaffen gemacht hatten, und an das, was ihm Kinah über Akuyi und Achmeds Bruder Safrin erzählt hatte. An den Sturm und das Raunen in seinem Hinterkopf, das eine Beziehung zwischen all den unerklärlichen Dingen herstellen wollte, die er zu sehen geglaubt hatte, angefangen bei dem alten Schamanen, der mehrere Male derart lebendig vor ihm erschienen war, dass er den Eindruck hatte, ihn über das Feuer hinweg berühren zu können, bis hin zu den seltsam flüchtigen Begegnungen mit seiner Tochter und der entstellten Kinah, die ihn auf einen Weg geschickt hatte, der ihn zu Lubaya und Jan Olowski geführt hatte.
    Ob er Jurij etwas verschwiegen hatte? Aber ja. Nämlich die Tatsache, dass er entweder anfing, den Verstand zu verlieren, oder in den Sog mystischer Ereignisse geraten war, die mit dem Wissen uralter Völker zu tun hatten, welche hinter scheinbar willkürlichen Naturgewalten völlig andere Ursachen erkannten als ein Europäer.
    Dirk wusste nicht, welche der beiden Möglichkeiten ihm lieber war. Er wusste nur, dass er Akuyi rausholen musste aus der Gefahr, in der sie zweifelsohne schwebte.
    Er warf einen Blick aus dem linken Seitenfenster. Auf dem Gelände unter ihnen zeichnete sich der Schatten der Lisunov ab. Aber nicht nur der. Ein anderer Schatten hatte sich dazugesellt, der schwarze, bedrohliche Schatten eines mit Elektronik vollgestopften Flugdrachens, der sie jederzeit mit einem Feuerstoß vom Himmel fegen konnte. Anhand des Schattens ließ sich die Entfernung des Helikopters nicht abschätzen, aber er hielt gewiss keinen allzu großen Sicherheitsabstand. Wenn Rastalocke wirklich wollte und das Maschinengewehr funktionierte, konnte er den Insassen der Verfolgermaschine eine böse Überraschung bereiten.
    Doch dazu wollte es Dirk auf keinen Fall kommen lassen. Er stand mit einem Ruck auf, trat dabei beinahe auf die beiden breiten Fußpedale, die wie Gas und Bremse im Auto angeordnet, aber nicht mit Gummi verkleidet waren, sondern metallisch schimmerten, und stolperte hastig einen Schritt zurück.
    Jurijs Gesichtsausdruck hatte schlagartig nichts mehr von einer listigen Schildkröte, sondern wirkte angespannt und hellwach wie der eines Kommandanten, der seine Truppen durch die feindlichen Linien führen wollte und befürchten musste, dass ihm sein eigener Offizier in den Rücken fiel. »Wo willst du hin?«, belferte er.
    »Zu dem Idioten, der glaubt, den Hubschrauber hinter uns abschießen zu können«, gab Dirk gereizt zurück. »Solange ich nicht hundertprozentig weiß, ob meine Tochter dort an Bord ist oder nicht, werde ich ihm eher die Finger brechen, als zuzulassen, dass er auch nur eine einzige Salve abgibt.«
    »Was er sowieso nicht darf, wenn ich ihm nicht das Kommando gebe.« Jurij wedelte mit der Hand. »Aber geh nur. Sag ihm, dass möglicherweise einen zweite Maschine hinter uns her ist, die wir bislang nur noch nicht zu Gesicht bekommen haben. Und dass er auf keinen Fall als Erster losballern soll. Denn sonst breche ich ihm was, das deutlich mehr wehtut als nur die Finger.«
    Auf einmal sah Jurij allerhöchstens wie sechzig aus. Sein Gesicht hatte sich gestrafft, seine Augen funkelten energisch. Dirk war sicher, dass dieser Mann beileibe nicht der harmlose Greis war, als der er sich anfangs ausgegeben hatte. Jurijs Pilotenerfahrung musste auf einer

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