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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sollte?
    »Es gibt Dinge, die aus einem selbst hinausdrängen, aus der eigenen Vergangenheit«, fuhr Noah fort. »Auch die spürt man. Aber sie haben nichts mit den Schwingungen zu tun, die von außen auf einen treffen.«
    »Ich verstehe nicht, was das mit Akuyi zu tun hat«, wandte Dirk ein.
    »Ich habe meine Schwester noch nie gesehen«, sagte Noah. »Das macht es nicht gerade einfach. Vielleicht bilde ich mir ja nur ein, etwas zu spüren, das in Wirklichkeit gar nichts mit ihr zu tun hat.«
    »Also spürst du doch, dass sie hier ist?«
    »Ich hoffe es«, wiederholte Noah. Er klang ein wenig unsicher. »Shimeru hat immer wieder betont, dass wir alle an diesem Ort zusammenkommen müssen. Die alten Walknochen haben diese Männer hierhergelockt. Sie sind ein Bindeglied zu dem Zeitalter, in dem sich an dieser Stelle ein Meer befand. Shimeru hat gesagt, dass sie die Energie von Jahrmillionen gespeichert haben.«
    »Mir hat er erzählt, dies sei ein besonderer Ort, an dem die Grenze zwischen den Sturmdämonen der Nacht und den Sturmgeistern des Tages besonders gefährdet sei.«
    Noah nickte. »Ja. Hast du das nicht auch gespürt?«
    Gespürt? Das war stark untertrieben. Dirk war sicher gewesen, nicht von einem Sturm gebeutelt, sondern von genau den Dämonen und Geistern herumgestoßen zu werden, vor denen Shimeru ihn gewarnt hatte. Sollte er jemals heil nach Deutschland zurückkehren, würde er das natürlich vehement abstreiten, doch hier, unterwegs mit seinem Sohn, um den Rest seiner Familie einzusammeln, war ihm das nicht möglich.
    »Ja, ich habe es gespürt«, räumte er widerwillig ein. »Auch wenn ich es nicht … verstehe.«
    »Das ist auch nicht nötig, glaube mir.« Noah wurde langsamer und blickte sich suchend um. Graues Gestein mit schroffen oder glattgeschliffenen Oberflächen umgab sie. In dieser Höhle sah es nicht nur aus wie in den Grotten von Al Afra, es roch auch so: muffig, nach abgestandener Luft. Wahrscheinlich war das alles andere als ein Zufall. Sowohl die Grotten in Marokko als auch diese Höhle mussten entstanden sein, als sich hier urzeitliche Kolosse durch die Fluten eines vorgeschichtlichen Meeres geschoben hatten.
    »An diesem Ort haben bereits früher Wetterkatastrophen ihren Ursprung genommen«, fuhr Noah fort. »Und eine der gewaltigsten fand statt, als das Meer, das hier einst war, von einem Sturm förmlich fortgerissen wurde.«
    Noah umrundete einen Felsvorsprung, zögerte für einen Moment und bog dann nach rechts ab. Als hätten sie eine seit Ewigkeiten nicht mehr geöffnete Gruft betreten, wurden sie von Zwielicht, Eiseskälte und einem ekelhaften Geruch empfangen. Dirk fühlte sich alles andere als wohl dabei, immer tiefer in ein unübersichtliches Höhlenlabyrinth einzudringen – auch wenn das den Vorteil hatte, dass sie dem über ihnen tobenden Sturm entkamen.
    »Shimeru hat es mir erklärt.« Noahs Stimme hallte dumpf von den Felswänden wider. »Energie wird auf verschiedenste Weise gespeichert, zum Beispiel in Form von Kohle oder Öl. Diese Energie kann man später wieder nutzen, wenn man weiß, wie das geht.«
    »Mit Kohle kann man heizen«, bestätigte Dirk. »Das weiß auch bei uns jedes Kind.«
    »Aber gewiss weiß nicht jedes Kind, dass versteinerte Knochen eine ganz spezielle Art von Energie speichern.« In Noahs Stimme schwang beinahe so etwas wie Stolz mit. »Dabei hängt es von den Knochen ab, welche Energie in ihnen gespeichert ist.«
    »Und die Walknochen …«
    »… sind etwas ganz Besonderes«, erklärte Noah. »Aber das weißt du vermutlich selbst, schließlich bist du über den Walhang geklettert. Du musst die Energie gespürt haben, die in den Walskeletten steckt.«
    »Vielleicht.« Noah warf ihm einen eindringlichen Blick zu, und Dirk verbesserte sich rasch: »Ja, ich habe die … Energie gespürt. Als der Hang zusammenbrach … habe ich mich an das Rückgrat eines Wals geklammert.«
    »Und plötzlich war es, als sei er lebendig«, mutmaßte Noah. »Das stimmt doch, oder?«
    Dirk dachte kurz nach. Das Licht aus der Bruchöffnung verlor sich in grauen Schlieren, in denen alles gleich aussah – die Felswände, der Boden, die Höhlendecke. Die Atmosphäre war beklemmend.
    »Ja, Noah«, gab er zu. »Es kam mir tatsächlich so vor, als wäre das Rückgrat nicht bloß ein versteinerter Knochen. Irgendwie war da etwas …«
    »Lebendiges?«, half ihm Noah aus.
    »Genau. Aber das hilft uns jetzt auch nicht weiter, oder?« Dirk deutete nach vorne. »Ich sehe dort

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