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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Dirk erkannte, blinzelte sie kurz, ein Zeichen der Erleichterung, das ebenso schnell erlosch, wie es aufgeblitzt war. Dann starrte sie Noah an.
    Unbändige Freude huschte über ihr Gesicht, gepaart mit einem ebenso starken Ausdruck des Erschreckens.
    »Noah!«, stieß sie hervor.
    Obwohl sie sehr leise gesprochen hatte, hallte ihre Stimme wie ein Donnerschlag durch die Höhle. Selbst Jurij, der ein ganzes Stück von ihr entfernt saß und aus trüben Augen in die leere Wodkaflasche vor sich schaute, deren letzte Füllung ohnehin nur Wasser gewesen war, hob den Kopf.
    Noah wich einen Schritt zurück. »Mama?« Er starrte sie verwirrt an und öffnete und schloss den Mund wie ein Fisch, der nach Luft schnappt. »Was ist … wo ist meine Schwester?«
    Kinah zuckte unglücklich mit den Schultern. »Sie ist …«
    »Sie ist nicht hier«, unterbrach sie Ventura grob.
    Der Araber trug keine Sonnenbrille mehr, wirkte dadurch jedoch kein bisschen ungefährlicher. Er hockte nur wenige Meter von Kinah entfernt im Schneidersitz auf dem Boden. Seine rechte Hand ruhte entspannt auf der Pistole, die auf seinem Oberschenkel lag.
    »Wir hatten eine kleine Meinungsverschiedenheit mit den Männern, die den Thunderformer bewachen«, fuhr er fort. »Karel hat mindestens drei von ihnen erwischt, und auch ich war in dieser Beziehung nicht ganz glücklos. Doch leider waren sie uns zahlenmäßig derart überlegen, dass sie uns erst einmal zurückgeschlagen haben.« »Und meine Schwester?«
    »Du bist Noah, richtig?«, fragte Ventura.
    Noah nickte knapp.
    »Du bist weiß. Deine Schwester ist schwarz. Wie kommt das?« »Die Wahrscheinlichkeit beträgt eins zu eine Million«, antwortete Noah prompt.
    »Das ist keine Antwort auf meine Frage«, entgegnete Ventura ruhig. »Wenn ich die Abstammungslehre richtig verstanden habe, müsste deine Mutter einen weißen Vorfahren haben, sonst wärst du nicht weiß.«
    Noah blinzelte nervös. »Keine Ahnung.«
    »Und das ist auch egal«, fuhr Kinah dazwischen. »Ob weiß oder schwarz, wir sitzen alle im selben Boot.« Ihr Blick fiel wieder auf Jan. »Das hätte einfach nicht passieren dürfen.«
    Sie musste nicht erklären, was sie damit meinte. Jans Augenlider flatterten, was kein gutes Zeichen war.
    »Dieser Safrin war ein tapferer Mann«, sagte Ventura. »Er hat gekämpft wie ein Löwe.«
    Safrin? Dirk erstarrte. SAFRIN?
    Er wandte sich an Ventura. Seine Zunge wollte ihm nicht gehorchen, und er musste sich umständlich räuspern, bevor er fragen konnte: »Safrin? Achmeds Bruder? Der Mann, der Akuyi begleitet hat?«
    Ventura wies mit einem angedeuteten Nicken in eine Ecke. »Da liegt er.«
    Dirk fuhr herum und sah eine seltsam verkrümmte, reglose Gestalt. Er konnte weder das Gesicht erkennen noch irgendetwas, das einen Hinweis auf die Identität des Toten gegeben hätte.
    »Wo ist Akuyi?« Er wollte sich dem Leichnam nähern, hielt jedoch inne, als Karel in die Höhle stürmte und aufgeregt in einer Sprache auf Ventura einredete, die Dirk nicht verstand.
    »Ihr habt Besuch mitgebracht«, erklärte Ventura. »Wir müssen verschwinden.«
    »Das geht nicht!«, protestierte Kinah. »Jan …«
    »Wir nehmen ihn mit«, schnitt ihr Ventura das Wort ab. »Oder wir lassen ihn liegen.«
    Dirk hatte das Gefühl, als begänne sich die Höhle um ihn zu drehen. Er hörte, was die anderen sagten, doch ihm kam es so vor, als fände das Gespräch an einem ganz anderen, weit entfernten Ort statt. Er wollte zu Safrin gehen, dem Mann, der Akuyi mit seinem Leben hatte schützen sollen und nun tot war, ebenso sinnlos gestorben wie sein Bruder in Marokko. Er war in einen Albtraum geraten, einen dunklen Schacht, und er fiel und fiel und würde irgendwann am Boden zerschmettern.
    »Dirk, verdammt!« Das war Kinahs Stimme. »Hilf mir! Wir können Jan doch nicht liegen lassen!«
    Dirk zuckte zusammen. Die Höhle schien sich erst nach oben zu verschieben und dann abzusacken, ehe sich das Bild vor seinen Augen einigermaßen stabilisierte. Kinah hatte ihre Arme von hinten unter Jans Achseln geschoben und vor seiner Brust miteinander verschränkt. Lubaya drückte ihre Hand immer noch auf den Verband, den Dirk zuerst für eine Kompresse gehalten hatte, der sich bei genauerem Hinsehen jedoch als ein Haufen provisorisch übereinandergelegter Tücher entpuppte.
    Noah war an Kinahs Seite, bevor Dirk einen klaren Gedanken fassen konnte.
    »Schnell«, trieb Ventura sie an. »And don't forget the torch, Karel!«
    Karel reagierte auf der Stelle,

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