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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gewesen, er hätte die Hügelkuppen so lange angestarrt, bis er sich absolut sicher gewesen wäre, dass Akuyi nicht auf einer von ihnen stand. Er blinzelte gegen den Regen an und versuchte, mehr als nur schwarze Schatten und Erhebungen zu erkennen.
    Dort oben war kein Mensch – zumindest konnte er niemanden entdecken, und auch nichts, was auf die Anwesenheit eines jungen Mädchens hindeutete. Trotzdem: Es konnte kein Zufall sein, dass diese Hügel denjenigen in seinem Traum nicht nur zum Verwechseln ähnlich sahen, sondern auch auf die gleiche Art von einem Unwetter umtobt wurden. Aber wieso befanden sie sich dann nicht in Kinahs Heimat, im Land der Tausend Hügel? Hatte er etwa im Traum Dinge vermischt, die nichts miteinander zu tun hatten? Hatte er die falschen Schlüsse gezogen?
    Dirk kam nicht dazu, den Gedanken weiterzudenken. Die in immer kürzeren Abständen niederzuckenden Blitze verwandelten die Regenschleier in silberne Vorhänge, hinter denen die Hügel einfach verschwanden. Auch Noah, der zwanzig Meter Vorsprung hatte, war nur noch als Schemen zu erkennen, und es konnte nicht mehr lange dauern, bis er vollends von dem sturmzerrissenen Regen aufgesogen wurde. Die Angst, ihn zu verlieren, kaum dass er ihn nach all den Jahren endlich kennengelernt hatte, verlieh Dirk neue Kräfte. Obwohl der Sturm ihn mit aller Gewalt zurückzutreiben versuchte und die Böen ihn niederzureißen drohten, obwohl ihm der Regen so heftig ins Gesicht peitschte, dass sich seine Haut wie durchgewalkt anfühlte, beschleunigte er seine Schritte.
    Das Wasser schwappte in seinen Schuhen, und immer wieder glitt er um ein Haar auf dem schlüpfrigen, aufgeweichten Untergrund aus. Hätte er nicht ab und zu einen Blick auf Noah erhascht, er hätte völlig die Orientierung verloren und wäre vielleicht nur noch im Kreis gelaufen. Er konnte nur hoffen, dass sein im afrikanischen Busch aufgewachsener Sohn wusste, wo es langging. Aber wahrscheinlich kam Noah mit entfesselten Naturgewalten besser zurecht als mit dem Verkehrschaos einer Großstadt.
    Da traf Dirk eine besonders harte Bö und schleuderte ihn zurück. Er versuchte, noch in der Rückwärtsbewegung das Gleichgewicht wiederzufinden, doch es gelang ihm nicht. Wasser spritzte unter seinen Schuhen hoch. Er rutschte endgültig aus und stürzte zu Boden. Seine Hände griffen verzweifelt nach irgendetwas, an das sie sich klammern konnten. Aber sie fanden nichts, schlugen nur in Wasser und Matsch. Der Sturm beutelte ihn und stieß ihn weiter zurück, bevor er sich wieder hochstemmen konnte.
    Der Regen fegte über ihn hinweg, ließ dann jedoch vollkommen unerwartet nach, wurde von einer Sintflut zu einem kräftigen Sommerregen und dann zu einem verwirbelten Nieseln.
    Der Hügel, auf dem Akuyi in Dirks Traum gestanden hatte, wirkte jetzt wie eine finstere Trutzburg, in der sich Dämonen und Geister verschanzt hatten, um im geeigneten Moment auszufallen und die Welt zu erobern. Vielleicht war der Traum ja tatsächlich ein Hinweis auf das gewesen, was ihn erwartete. Er musste dort hinauf, koste es, was es wolle, er musste zu ihr, er musste sie in die Arme schließen und mit sich nehmen, nur weg aus diesem Sturm, hinab in die Höhle, die wenigstens ein bisschen Schutz vor den Naturgewalten bot
    Er richtete sich auf. Der Sturm schlug wie mit großen, schweren Schmiedehämmern auf ihn ein, von allen Seiten und mit einer Kraft, der er kaum etwas entgegenzusetzen hatte. Er wurde hin und her gestoßen, und mehr als einmal kam es ihm vor, als zerrte keine Bö an ihm, sondern eine fremde, bösartige Kraft, getrieben von purem Vernichtungswillen. Trotzdem gelang es ihm, auf den Beinen zu bleiben und mit gesenktem Kopf weiterzugehen. Der Morast, durch den er watete, schien ihn verschlingen zu wollen, doch er kämpfte sich Schritt für Schritt vorwärts.
    Dann hatte er die ersten Felsen erreicht und streckte die Hand nach ihnen aus. Der Sturm umheulte ihn mit den Stimmen von tausend Dämonen, die ihre Wut über die unverschämten Eindringlinge hinausbrüllten, um sie danach wie ein Spielzeug herumzuwirbeln und zu zerschmettern. Als kleiner Auftakt packte ihn eine gewaltige Bö und warf ihn zurück. Dirk gelang es im allerletzten Moment, sich in den Windschatten eines Felsens fallen zu lassen. Durch seine Handgelenke fuhr ein scharfer Schmerz.
    Doch wenn er geglaubt hatte, sich vorläufig dem Zugriff des Sturms entziehen zu können, sah er sich getäuscht. Ein harter Schlag traf ihn und schleuderte ihn zur

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