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Sturm: Roman (German Edition)

Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Schritte verklangen oben im Flur.
    »Und jetzt Sie«, befahl der Langhaarige und zielte auf Dirk.
    »Ich?«, fragte Dirk. Dann hörte er sich zu seinem eigenen Entsetzen sagen: »Aber erst will ich von Ihnen wissen, was das Blut auf der Treppe zu bedeuten hat.«
    »Kümmern Sie sich gefälligst um Ihren eigenen Dreck«, sagte der Langhaarige grob.
    »Ich will doch nur …«
    Biermann versetzte Dirk einen Stoß in die Seite. »Gehen Sie schon«, flüsterte er. »Ich will ebenfalls wissen, was hier los ist. Aber wir dürfen nicht vergessen, warum wir hier sind, oder?«
    Nein, das durften sie nicht, und genau aus diesem Grund hatte er die Frage nach der Blutspur auf den Stufen ja auch gestellt. Was, wenn sie von Kinah stammte, die man tot oder bewusstlos in den Keller geschleift hatte? Dirk konnte und wollte sich nicht vorstellen, dass sie es war, auf der er hier unten beinahe herumgetrampelt wäre. Alles andere jedoch schien ihm durchaus im Bereich des Möglichen. Janette hatte eine Gestalt die Kellertreppe hinunterhetzen sehen – garantiert ein Komplize des Langhaarigen. Aber was hatten die beiden mit Kinah zu schaffen oder ihr gar angetan?
    Seine Gedanken stockten wie das komplizierte Räderwerk einer altertümlichen Uhr, in das ein Fremdkörper geraten war.
    »Legen Sie Wert auf einen Bauchschuss?«, fragte der Langhaarige.
    Dirk starrte ihn verständnislos an.
    »Das ist der falsche Zeitpunkt für eine Meditationsrunde«, zischte der Langhaarige wie eine gereizte Klapperschlange. »Machen Sie, dass Sie nach oben kommen!«
    Dirk riss sich zusammen. Es würde Kinah absolut nichts helfen, wenn er jetzt eine Dummheit beging. »Also gut. Andere Länder, andere Sitten.«
    Mit energischen Schritten durchquerte er die Ekel erregende Brühe und passierte Rastalocke, der immer noch den Scheinwerfer hielt, als sei er beim Dreh einer Gruselszene für das Licht verantwortlich. Dirks Augen hatten sich mittlerweile an die Helligkeit gewöhnt, und er erkannte, wie viel Müll und Unrat zu seinen Füßen dümpelte – Müll, der im wahrsten Sinne des Wortes zum Himmel stank. Trotzdem war er nicht im Mindesten davon überzeugt, dass der Abfall der einzige Grund für den Gestank hier unten war.
    »Ich wünsche noch einen schönen Tag«, sagte er, als er an dem Langhaarigen vorbeiging.
    Der Mann mit dem Gewehr verzog verächtlich die Lippen. Aber Dirk bemerkte, dass eines seiner Augenlider nervös zuckte und Schweißperlen auf seiner Stirn standen, die vorhin auf der Terrasse noch nicht da gewesen waren.
    Mit ein paar raschen Schritten erreichte Dirk die oberen Stufen.
    Die Blutflecken waren weg. Auf einer Stufe schimmerte noch eine verdächtige Schliere, und ein Forensiker hätte bei seiner Untersuchung sicherlich jede Menge Blutspuren gefunden. Aber offenbar hatte sich jemand die Mühe gemacht, das Blut so gründlich wegzuwischen, wie es ihm in kurzer Zeit möglich gewesen war.
    Ein zweiter Komplize des Langhaarigen?
    Dirk kam nicht dazu, den Gedanken weiterzuspinnen.
    Im Flur erwartete ihn Janette. Sie stand direkt neben der schwarzweißen afrikanischen Maske und verdeckte sie halb mit ihrer langen, blonden Mähne – ein unwirklicher Anblick, an dem irgendetwas nicht stimmte
    Vielleicht, weil Janette nicht Kinah war.
    Bevor er begriff, wie ihm geschah, packte sie ihn am Arm und zog ihn ein Stück in Richtung Ausgang. »Was hat das alles zu bedeuten?«, flüsterte sie. »Ich wusste, dass deine Frau in Gefahr ist, aber das hier …« Sie verstummte, als gäbe es keine Worte, um zu beschreiben, was sie gerade erlebt hatten.
    Dirk nickte. Er verstand genau, was sie meinte. Aber nicht nur das nahm er in diesem Augenblick mit aller Deutlichkeit wahr, sondern auch die Nähe einer warmen, lebendigen, temperamentvollen Frau, die ihn bei allen Unterschieden zu Kinah daran erinnerte, dass es stets Frauen mit einem Schuss Exzentrik gewesen waren, die ihn interessiert hatten.
    Janette roch gut, und nicht nur das war nach dem Gestank im Keller eine Wohltat. Da war noch mehr. Dirk hätte sie am liebsten in die Arme genommen und geküsst. Vielleicht, um die schreckliche Angst um Kinah zu überwinden oder den Ekel, den er in der Unterwelt des Langhaarigen empfunden hatte. Vielleicht aber auch, weil es schon eine Ewigkeit her war, dass er eine Frau im Arm gehalten hatte …
    »Ähm …« Janette löste sich aus seinem Griff, und erst da begriff er, dass er sie bereits umfasst hatte.
    »Schnell«, sagte Biermann von der Treppe her. Er stürmte auf

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