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Sturm über Freistatt

Titel: Sturm über Freistatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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wurden. Der Gestank in der Luft stieß Raik so heftig vom Tisch fort wie ein kräftiger Hieb.
    Der Rest der Arbeit war ein Werk von fünf Minuten mit Nadel und Katgut. Dann kramte Harran auf dem hohen Regal zwischen den Tontöpfen und Flaschen herum.
    »Da.« Er warf dem mit Übelkeit kämpfenden Raik ein Päckchen zu. »Gib das in seinen Wein, wenn er aufwacht … das kann noch eine Weile dauern. Vergeude ja nichts davon, es ist rarer als Fleisch in Freistatt. Yuri, sie teeren gerade die Parallelstraße. Lauf hinüber und bitte um ein bißchen Teer. Wenn er so weit abgekühlt ist, daß man ihn mit bloßen Fingern berühren kann, dann schmier ihn auf den Stumpf. Über die Nähte und alles.« Harran rümpfte die Nase. »Und wenn ihr ihn in der Schlafstube habt, dann zieht ihm eine frische Hose an.«
    »Harran«, sagte Raik erbittert und nahm den bewußtlosen Shal in die Arme. »Du hättest es ihm leichter machen können … Du und ich werden noch ein Hühnchen miteinander rupfen, sobald es Shal gut genug geht, daß man ihn eine Weile allein lassen kann.«
    »Kluger Raik. Bedroht den Feldscher, der seinem Gefährten gerade das Leben gerettet hat.« Harran wandte sich ab. »Idiot! Sei froh, wenn das Barbiermesser nicht eines Morgens ausrutscht!«
    Die Stiefsöhne gingen fluchend.
    Harran beschäftigte sich damit, sauberzumachen – er streute Sägemehl auf den Tisch, das Blut und Urin aufsog, und füllte Raiks Medizin in ein Steintiegelchen. Er würde es sich bestimmt noch holen, wenn nicht heute, dann morgen, nachdem er versucht hatte, im Schnaps sein Elend zu ersaufen.
    Das Trampeln von Füßen lenkte Harran ab. Er drehte sich um. Mriga trat immer noch auf die Pedale eines Schleifsteins, den sie gar nicht berührte, und hielt ein Messer darüber, das sie nicht hatte. »Hör auf auf«, sagte Harran. »Komm, hör auf. Tu was anderes!«
    »Ghh«, sagte Mriga so begeistert in ihre Tätigkeit vertieft, daß sie ihn nicht hörte. Harran hob sie auf die Füße und schob sie blinzelnd durch die Tür in den Sonnenschein. »Geh«, sagte er. »Geh in die Stallungen und reinige das Zaumzeug. Das Geschirr, Mriga. Das Glänzende!«
    Sie stieß einen bestätigenden Laut aus und watschelte zu den Stallungen der Stiefsöhne. Harran kehrte in die Hütte zurück, um seine Arbeit zu beenden. Er wischte das Sägemehl vom Tisch, warf den Schürhaken zurück ins Feuer und hob das letzte Überbleibsel dieses unerfreulichen Vormittags aus der blutigen Schüssel, in die er es geworfen hatte: Die Hand eines tapferen Soldaten.
    Ein Blitz zuckte vom Himmel.
    Ich könnte es tun, dachte er. Endlich könnte ich etwas unternehmen.
     
    Harran ließ sich blicklos auf die Bank vor dem Tisch fallen. Ein Winseln erklang an der Tür. Tyr stand dort und wedelte unsicher mit dem Schwanz. Nach einer Weile schloß sie, daß Harrans Schweigen bedeutete, sie dürfe wieder in die Stube. Vorsichtig tappte sie herein, schob die Nase unter eine Hand ihres Herrn und stupste ihn Aufmerksamkeit heischend. Er begann, sie hinter den Ohren zu kraulen, ohne sie wirklich zu sehen, ja, er sah nicht einmal die Wände der Stube. Für ihn war es sowohl gestern wie heute, und die Zukunft war voll furchterregender Möglichkeiten.
    Gestern war so verschieden von heute, wie man es sich nur vorstellen konnte. Gestern war weiß und golden gewesen, eine Marmor- und Chryselephantinpracht – die Farben von Sivenis kleinem Freistätter Tempel vor der Zeit der Rankaner hier. Warum denke ich mit solcher Sehnsucht daran zurück? fragte er sich verwundert. Ich hatte da sogar noch weniger Erfolg als hier. Aber trotzdem, war er dort zu Hause gewesen. Die Gesichter waren ihm vertraut gewesen, und wenn er auch nur ein kleiner Priester war, so doch ein tüchtiger.
    Tüchtig … Dieses Wort bereitete ihm selbst jetzt noch Schmerzen. Nicht, daß man sich seiner schämen mußte. Aber so oft hatte man ihm im Tempel gesagt, daß es nur zweierlei Arten gab, priesterliche Magie durchzuführen. Für eine bedurfte es keiner Anstrengung, eine instinktive Handlung, einem großen Koch gleich: eine Prise Flüstern hier, eine Zutat dort, alles mit Wissen, Erfahrung und nach Laune zusammengefügt – mühelose Handhabung des gerade zur Verfügung stehenden Materials, mit Hilfe natürlicher und übernatürlicher Sinne. Die andere Methode war die des Küchenjungen, der lernt, Koch zu werden, dem noch die Erfahrung fehlte, welche Gewürze zu welcher Speise paßten, welche Zauber die gewünschte Wirkung erzielen

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