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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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endlich vom Pier wegkommen!«
    »Jean, ich würde die Wendung, die die Ereignisse nehmen, als nicht sehr hilfreich bezeichnen«, warf Locke ein. Er sah aus, als hätte er gern noch mehr gesagt, hätte nicht Jeans Gegenspieler sich just in diesem Moment entschlossen, Jeans Aufforderung nachzukommen.
    Locke kam es vor, als ströme ihm nun der Schweiß in wahren Bächen über das Gesicht, wie wenn seine verräterischen Körpersäfte ihre Heimstatt verlassen wollten, ehe etwas Schlimmeres passierte.
    »So, das hätten wir geschafft. Drei gegen einen.« Jean spuckte auf den Kai. »Du hast mir gar keine andere Wahl gelassen, als mich mit dem Auftraggeber dieser Herren zu einigen – bei allen Göttern, du hast mich zu diesem Schritt gezwungen. Tut mir leid. Ich hatte angenommen, sie würden zuerst einen Kontakt zu mir herstellen und nicht ohne Vorwarnung über uns herfallen. Und jetzt gib deine Waffe her.«
    »Jean, zur Hölle noch mal, was hast du dir eigentlich dabei gedacht …«
    »Halt die Klappe. Sag am besten gar nichts mehr, und versuch keinen deiner Tricks.
    Ich kenne dich viel zu gut, um mich auf eine Diskussion mit dir einzulassen. Kein einziges verdammtes Wort, Locke. Nimm den Finger vom Abzug, und reich mir deine Waffe!«
    Locke starrte auf die stählerne Spitze von Jeans Armbrustbolzen, den Mund vor Verblüffung weit offen. Die Welt rings um ihn her verblasste, bis auf diesen winzigen, schimmernden Punkt, auf dem orangefarbene Reflexionen aufblitzten, die von dem lodernden Inferno stammten, das hinter seinem Rücken auf der Reede tobte.
    »Ich kann es nicht fassen«, hauchte Locke. »Ich kann es einfach nicht …«
    »Ich sage es jetzt zum allerletzten Mal, Locke.« Jean biss auf die Zähne und richtete den Bolzen mit ruhiger Hand direkt auf die Stelle zwischen Lockes Augen. »Nimm den Finger vom Abzug, und gib mir deine verdammte Waffe. Sofort!«

ERSTES BUCH
DIE KARTEN IN DER HAND
     
     
     
    »Bevor du anfängst zu spielen, musst du drei Dinge festlegen: Die Spielregeln, den Einsatz und den Zeitpunkt des Ausstiegs.«
     
    C HINESISCHES S PRICHWORT

Kapitel Eins
    Kleine Spielchen
1
     
     
    Das Spiel hieß Schwips-Vabanque, die Einsätze entsprachen ungefähr der Hälfte des gesamten Weltvermögens, und die traurige Wahrheit sah so aus, dass Locke Lamora und Jean Tannen buchstäblich bis aufs Hemd ausgezogen wurden.
    »Letztes Angebot für die fünfte Runde«, verkündete der samtberockte Croupier, der auf einem Podium an einer Seite des runden Tisches thronte. »Wünschen die Herren neue Karten?«
    »Nein, nein – die Herren wünschen sich zu beraten«, erwiderte Locke, beugte sich nach links und brachte seinen Mund dicht an Jeans Ohr heran. Im Flüsterton fragte er: »Wie sieht dein Blatt aus?«
    »Eine staubige Wüste«, murmelte Jean, seine rechte Hand lässig vor den Mund haltend. »Und deins?«
    »Eine trostlose Einöde – absolut frustrierend.«
    »Scheiße!«
    »Haben wir in dieser Woche versäumt zu beten? Hat einer von uns in einem Tempel gefurzt oder sonst wie gefrevelt?«
    »Ich dachte, es gehört zu unserem Plan, dass wir verlieren.«
    »Ganz recht. Ich hatte nur nicht damit gerechnet, dass wir so derbe ausgenommen werden – quasi kampflos untergehen.«
    Der Croupier hüstelte diskret in seine linke Hand, was am Kartentisch so viel bedeutete, als hätte er Locke und Jean Schläge auf den Hinterkopf versetzt. Locke rückte wieder von Jean ab, klopfte mit seinen Karten leicht auf die lackierte Tischplatte und setzte das zuversichtlichste Grinsen auf, das er in seinem Repertoire an Gesichtsmimik parat hatte. Innerlich seufzend blickte er auf den großzügigen Haufen hölzerner Spielmarken, der bald den kurzen Weg von der Tischmitte zu den Stapeln seiner Gegenspielerinnen antreten würde.
    »Selbstverständlich sind wir bereit«, verlautbarte er, »unser Schicksal mit einer heroischen Gelassenheit anzunehmen, die es wert ist, von Historikern und Poeten erwähnt zu werden.«
    Der Geber nickte. »Sowohl die Damen als auch die Herren lehnen das letzte Angebot ab. Das Haus ruft auf zur finalen Runde.«
    Für kurze Zeit herrschte Hektik, während Karten hin- und hergeschoben und abgeworfen wurden, als die vier Spielteilnehmer ihr endgültiges Blatt zusammenstellten und dann mit dem Bild nach unten vor sich auf den Tisch legten. »Ausgezeichnet«, erklärte der Croupier. »Umdrehen und zeigen.« Die sechzig bis siebzig reichsten Müßiggänger von Tal Verrar, die sich hinter ihnen im Raum drängten,

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