Sturm ueber roten Wassern
weiter, wenn es nicht anders geht«, widersprach Locke.
»Ich aber nicht«, beharrte Jean. »Trink es aus, Locke. Bitte.«
»Und was passiert, wenn ich mich weigere?«
»Du weißt genau, was dann passiert. Du kannst mich nicht überwältigen. Ich dich sehr wohl.«
»Du würdest also …«
»Egal, ob du wach oder bewusstlos bist«, stellte Jean fest, »das Mittel gehört dir. Ich lege keinen Wert darauf. Und jetzt trink endlich das verdammte Gegengift, um des Korrupten Wärters willen!«
»Ich kann nicht.«
»Dann zwingst du mich …«
»Du hast mich nicht richtig verstanden«, unterbrach Locke ihn. »Ich sagte nicht ›ich will nicht‹. Ich sagte ›ich kann nicht ‹. « »Was …«
»In diesem Fläschchen, das ich mir in der Stadt besorgt habe, ist nur Wasser.« Wieder griff Locke in seine Tasche, holte eine leere Glasphiole heraus und stellte sie langsam neben die andere. »Ich muss schon sagen, so gut wie du mich kennst, bin ich doch sehr überrascht, dass du mir erlaubt hast, dir deinen Wein einzuschenken.«
5
»Du Ganove!«, brüllte Jean und sprang auf die Füße. »Gentleman-Ganove.«
»Du miserabler, beschissener Hurensohn!« Jean bewegte sich schnell wie der Blitz, und Locke fuhr erschrocken zurück. Jean packte den Tisch und schleuderte ihn ins Wasser, sodass sich die Reste ihres Abendessens über das Deck verteilten. »Wie konntest du?
Wie konntest du mir das antun?«
»Ich kann nicht zusehen, wie du stirbst«, sagte Locke leise. »Ich kann es einfach nicht.
Und du hast nicht das Recht, von mir zu verlangen …«
»Du hast mir ja nicht mal die Wahl gelassen!«
»Du hättest es mir unter Zwang eingeflößt!« Locke stand auf und klopfte sich Brotkrümel und Hühnerknochensplitter von seiner Tunika. »Ich wusste, dass du es versuchen würdest. Machst du mir jetzt Vorwürfe, weil ich dir zuvorgekommen bin?«
»Und jetzt soll ich zusehen, wie du stirbst, oder was? Zuerst stand ich daneben, als sie elend krepiert ist, und jetzt mache ich dasselbe noch mal bei dir mit. Glaubst du, damit tust du mir einen Gefallen?«
Jean brach auf dem Deck zusammen, barg sein Gesicht in den Händen und fing an zu schluchzen. Locke kniete sich neben ihn und schlang die Arme um seine Schultern.
»Ja, es ist ein Gefallen«, sagte Locke. »Aber den Gefallen erweise ich mir, und nicht dir.
Dauernd rettest du mir das Leben, weil du ein Idiot bist und es nicht besser weißt. Lass mich … lass mich wenigstens einmal dein Leben retten. Nur ein einziges Mal. Denn du hast es wirklich verdient.«
»Ich verstehe überhaupt nichts mehr«, flüsterte Jean. »Du verdammter Hurensohn, wie konntest du so was tun? Ich möchte dich umarmen. Und ich möchte dir deinen dämlichen Kopf abreißen. Beides zugleich.«
»Ah«, entfuhr es Locke. »Soweit ich weiß, ist das die Definition für ›Familie‹.«
»Aber du wirst sterben«, wisperte Jean.
»Einmal musste es dazu kommen«, erwiderte Locke. »Der Tod war mir immer dicht auf den Fersen, und der einzige Grund, warum ich nicht schon früher dran glauben muss t e … bist du!«
»Ich fühle mich schrecklich«, gestand Jean. »Ich mich auch. Aber jetzt ist es passiert.
Und ich bereue nicht, dass ich es getan habe.«
Ich bin ganz ruhig, dachte er. Ich glaube, ich kann sagen, dass ich ganz ruhig bin.
»Und was machen wir jetzt?«
»Genau das, was wir geplant hatten«, entgegnete Locke. »Wir segeln los, einfach ins Blaue hinein, so langsam wie möglich. Die Küste hoch, wir lassen uns treiben. Keiner ist hinter uns her. Keiner steht uns im Weg, keiner ist da, den wir ausrauben können.
So was haben wir noch nie erlebt.« Locke grinste. »Zur Hölle, ich frage mich allen Ernstes, ob wir das überhaupt können – faulenzen.«
»Und was, wenn du …«
»Wenn es so weit ist, dann ist es eben so weit«, sagte Locke ruhig. »Vergib mir.« »Ja.
Nein. Niemals!«
»Ich glaube, ich weiß, was du meinst. Steh auf und hilf mir beim Ankerlichten.«
»Was hast du vor?«, fragte Jean.
»Diese Küste ist so verdammt öde, hier ist nichts los. Was gibt es in dieser Gegend noch Besonderes zu sehen? Lass uns versuchen, mit diesem Ding irgendwo anders hinzukommen.«
Er stand auf und legte Jean eine Hand auf die Schulter.
»Irgendwohin, wo wir was Neues sehen.«
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Begeisterte Segler, sowohl die, die den Sport nur von ihrem gemütlichen Sessel aus kennen, als auch die aus echtem Schrot und Korn mit praktischer Erfahrung, müssen
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