Sturm über Tatooine
»Ich bin nicht so dumm, wie du denkst. Ich weiß, daß du eine hervorragende Taschendiebin bist, aber in Wirklichkeit willst du doch nur wegen des Jurisaft in die Bar.« Geistesabwesend musterte der Vierauge die gewundene Gasse, die ein Stück weiter auf die Straße mündete. »Zwei Gläser, und ich muß dich wieder nach Hause tragen… so wie immer.«
Kabes einzige Reaktion auf diese Tatsache war ein lautes Schniefen.
Der Morgen dämmerte schnell auf Tatooine, und der Wüstenhimmel nahm bereits jenen matten Silberglanz an, der dem Aufgang der Doppelsonne stets vorausging. Muftak beschleunigte seine Schritte und war versucht, Kabe auf den Arm zu nehmen und zu laufen. Es war seine Schuld, daß sie so spät dran waren.
Obwohl sie Meisterdiebe waren, hatten weder Kabes Elektronikkenntnisse noch Muftaks große Körperkräfte ihnen geholfen, die neuen Zeitschlösser zu knacken, mit denen jetzt alle imperialen Hangars gesichert waren. Schlimmer noch, einer der Wüstentruppler hatte sie entdeckt… aber Menschen konnten in der Nacht nur sehr schlecht sehen, und für sie sahen alle exotischen Nichtmenschen fast gleich aus. Muftak hoffte, daß man ihn im Dunkeln mit einem Wookiee oder einem der anderen großen Zweibeiner verwechselt hatte. Kabe hatte ungefähr die Größe eines Jawas.
Der Diebstahl imperialen Eigentums war extrem riskant – aber in diesen Tagen hatten sie kaum eine andere Wahl. Ein erfolgreicher Beutezug würde das Risiko rechtfertigen und sie in die Lage versetzen, ihre Einbrecherlizenz, die sie durch Kabes Griff in die falsche Tasche verloren hatten, von dem Hutt zurückzukaufen. Alles Wertvolle, das nicht dem Imperium gehörte, gehörte entweder Jabba oder war von ihm für tabu erklärt worden – und niemand war so verrückt, sich mit dem Hutt-Verbrecherlord anzulegen.
Um »nach Hause« zu kommen – ein winziger Verschlag in einer Sektion eines aufgegebenen Tunnels unter der Andockbucht 83 –, mußten sie den Marktplatz überqueren. Riskant, aber sie hatten keine andere Wahl.
Kabe hüpfte so frisch und ausgelassen neben ihm her, als hätten sie nicht die ganze Nacht gearbeitet. Muftak beschleunigte seine schlurfenden Schritte, obwohl er fast zu erschöpft war, um seine riesigen, pelzigen Füße zu bewegen. Plötzlich leuchteten die Spitzen der weißgetünchten Kuppeln auf; Sekunden später war alles in goldenes Licht getaucht. Die erste Sonne ging auf. Muftak schaltete instinktiv auf seine Tagaugen um, die manche Einzelheiten nicht mehr wahrnahmen, dafür aber andere Details enthüllten. Sie passierten einen Straßenhändler, der seinen Stand aufbaute, dann einen zweiten.
Mos Eisley war im besten Fall ein Höllenloch, und die Veränderungen in der letzten Zeit machten die Stadt noch unsicherer. Die zunehmende imperiale Präsenz verlieh Jabbas korruptem Regime eine unangenehme neue Dimension. Muftaks und Kabes Leben war noch nie einfach gewesen; die beiden hatten jahrelang schuften müssen, um sich halbwegs über Wasser zu halten. Jetzt, dank der Untätigkeit des Senats, verschlimmerte sich die Lage noch. Früher hatte sich der Vierauge genau wie seine kleine Freundin nicht für Politik interessiert. Ihm war es gleich gewesen, wer regierte, solange man ihn in Ruhe ließ.
Aber die Wüstentruppen waren sogar noch schlimmer als die Schläger des Hutts. Kalt, grausam und brutal, wie sie waren, erinnerten sie ihn an Killerdroiden. Hunderte – vielleicht Tausende – waren in den letzten beiden Tagen gelandet, um den Willen dieses uralten, verfaulenden Imperators durchzusetzen, der weit, weit entfernt lebte. Das Imperium verstärkt den Griff um meine Welt.
Summmm… Sein stilles Gelächter summte in seinem Kopf wie eine tanzende Biene. Meine Welt? Lächerlich! Summmm…
Da auf Tatooine keine anderen Wesen lebten, die ihm auch nur im entferntesten ähnlich sahen, wußte Muftak nur zu gut, daß dies nicht seine Heimatwelt war. Als er vor langer Zeit neben seinem aufgeplatzten Kokon stehend erwacht war, hatte er begriffen, daß sich sein Volk auf einer anderen Welt entwickelt hatte – auf welcher, wußte er nicht. Er hatte sein ganzes Leben lang nach Informationen über seine Rasse gesucht und dabei eine Menge über den Planeten Tatooine erfahren, der sich so sehr von dem fruchtbaren Paradies aus seinen Träumen unterschied. Wissen, hatte der Vierauge herausgefunden, war in gewisser Weise Macht. Die Einwohner von Mos Eisley wußten, daß sie von Muftak Informationen über fast jede Aktivität oder
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