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Sturm ueber Thedra

Sturm ueber Thedra

Titel: Sturm ueber Thedra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Stuhr
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hereingelegt hatte. - Schade nur, dass sie nicht in den vollen Genuss des Anblicks gekommen war. Gewandt wie ein Salamander erkletterte sie die Mauer, rollte sich über die Mauerkrone und fiel, mit den Füßen voran - einem Wächter in die Arme.
    „Ich habe schon gedacht, du kommst nicht mehr!“ Der Mann schloss seine Arme so fest um Ysells Leib, dass ihr fast der Atem verging. „Du bist langsam!“
    „W- woher“, stammelte Ysell aufgeregt und vergaß vor lauter Schreck sogar, sich zu wehren, „- wieso?“.
    „Wieso ich wusste, dass du hier herauskommen würdest?“ Der Mann lachte grimmig „Glaubst du, dass ich alt geboren wurde? Ich habe diesen Weg selbst wohl an die hundertmal benutzt - und vor mir mein Vater und mein Großvater.“
    `Übertölpelt!´ Der Gedanke versetzte Ysell schlagartig in helle Wut. Ohne jede Vorwarnung holte sie mit dem rechten Fuß aus und trat mit aller Kraft nach dem Schienbein des Mannes, holte sich an den metallbesetzten, ledernen Beinschützern aber nur einen abgebrochenen Zehnagel. Der plötzliche Schmerz tat ein Übriges. Außer sich vor Zorn und Angst trat und schlug Ysell um sich und hätte dem Wächter bestimmt in die Nase gebissen, wenn der seinen Griff nicht schnell gelockert und sie zu Boden gelassen hätte. Zu Ysells großem Ärger war er aber gewitzt genug, sie rasch bei ihrem Haar zu fassen und sich einige Strähnen um die Hand zu schlingen. So wurde sie denn, leise Verwünschungen vor sich hin zischend, mit hochrotem Kopf an ihren Haaren durch die halbe Stadt zu den Räumen der Wache geschleppt - ihrem Richter entgegen.

    „So, so, Hühnermist also!“ Der Richter nahm seinen Hut ab und schaute nachdenklich hinein. „Das muss aber sehr unangenehm sein für die Wachen, wenn du ihnen Hühnermist in die abgelegten Helme tust. - Hast du denn daran nicht gedacht?“
    „Äh, nö“, versicherte Ysell treuherzig „Hab ich wirklich nicht.“
    „Und treten und schlagen und beißen, wenn man verhaftet werden soll“, fuhr der Richter unbeeindruckt fort „was soll denn das?“
    „Och, das war ja nur Spaß“, beteuerte Ysell „Ich hab mich doch gar nicht richtig gewehrt!“.
    „So?“ Der Richter schien irgendwelche Zweifel an dieser Darstellung der Dinge zu haben. „Und wer war dein Komplize?“, wollte er dann wissen.
    „Welcher Komplize denn?“ Ysell schüttelte verständnislos den Kopf. „Ich war allein.“
    „Stell dich nicht dümmer als du bist!“ Der Richter sah streng auf Ysell hinab. „Also - der kleine Halunke, der mit dir zusammen gesehen wurde - der die Pferde der Wachen losband - wer war das?“
    Ysell konnte es nicht verhindern, dass sich ein belustigter Ausdruck in ihre Augen stahl, als sie daran dachte, wie schnell die Wachen aus dem Haus gestürzt waren, nur an die Pferde denkend - eilig die Helme von der Fensterbank greifend ... Sie achtete jedoch sehr darauf, dass das Lächeln ihre Mundwinkel nicht erreichte. „Niemand.“ Ysell richtete sich zu voller Größe auf und sah dem Richter gerade ins Gesicht. „Niemand war bei mir. Ich war allein!“
    „Du könntest es dir leichter machen“, schlug der Richter nun in versöhnlichem Tonfall vor „Wenn du mir den Namen des Jungen gibst, würde ich deine Bestrafung noch einmal überdenken.“
    Sabé! schrie eine Stimme in Ysell auf. Gib ihm den Namen, dann lässt er dich in Ruhe! Was kann der Richter schon tun? Er wird euch eine kleine Strafe auferlegen, das hält Sabé schon aus! Aber wenn du bockig bist ... Schnell schüttelte Ysell diese verführerischen Gedanken ab. Mit zusammengekniffenen Augen sah sie den Richter an. „Ich war allein!“, behauptete sie mit fester Stimme „Nur ich kann bestraft werden.“
    „Gut!“ Der Richter nickte ernst mit dem Kopf „Wie du willst. - Es ist jetzt die Zeit der Mandelblüte. Du wirst, bis die letzte Mandel geerntet ist, jeden Tag den Platz der Wachen blitzsauber fegen - und achte dabei besonders auf Hühnermist!“

    Wenig später gingen Ysell und der Wächter wieder gemeinsam durch die Stadt, denn selbstverständlich mussten Ysells Eltern von dem Vorfall unterrichtet werden. Kleine Staubwolken wirbelten um die Knöchel der beiden, wenn ihnen jemand entgegenkam, und sie zum Straßenrand hin ausweichen mussten. Der Steppenwind war in diesem Frühjahr besonders schlimm und trug eine solche Menge feinen Flugsandes in die Stadt, dass die Menschen halbe Tage damit beschäftigt waren, die Straßen gangbar zu halten. Ysell wurde es schlecht bei dem Gedanken

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