Sturm ueber Thedra
Bewegungen des feindlichen Schiffs; allen voran Teri, die mit großen Augen an der Reling stand und bewundernd auf den riesigen Dreimaster starrte, der jedes Mal, wenn er in Rufweite vorbeigerauscht war, behäbig wendete und die Verfolgung erneut aufnahm.
Lange konnte dieses Spiel nicht mehr gutgehen. Die Kao-lad glich einem verzweifelten Mäuschen, das vor einer gierigen Katze flieht. Schon begann der Finder die Taktik des Frachterkapitäns zu durchschauen und änderte fast gleichzeitig mit ihm den Kurs. Bedrohlich nahe kam das fast doppelt so lange Schiff der Kao-lad.
Aufgeregt rief Tana nach Teri, die sich unwillig von der Reling löste. Sie kannte zwar viele blutrünstige Geschichten, die die Seeleute im Hafen sich von Findern erzählten, aber dass es bei dieser Jagd auf hoher See tatsächlich um Leben und Tod ging, hatte sie noch gar nicht begriffen. Das änderte sich auch nicht, als ein vielstimmiger Schrei an Bord ertönte. Von dem Finderschiff aus war ein brennender Pfeil abgeschossen worden, der jedoch mehrere Mannslängen von der Kao-lad entfernt zischend im Meer versank.
Der Kapitän der Kao-lad gab ein paar schnelle Kommandos. Träge legte sich das schwere Schiff auf die andere Seite. Wieder blieb der Finder ein gutes Stück zurück.
"Teri, komm jetzt!" Tana war schon seit der Abreise aus Thedra seekrank. Sie hatte sich in der Nähe des Zeltes hinter das niedrige Schanzkleid des Frachters gehockt und streckte jetzt schwach die Hand aus. Teri dachte nicht daran, sich feige zu verstecken, andererseits war es hier auf Deck tatsächlich nicht ganz sicher. Ungeachtet der Rufe Tanas flitzte Teri zum Hauptmast und brachte sich schnell aus Gerits Reichweite, der auf dem Deck umherhüpfte und nach ihren Knöcheln haschte.
Je höher Teri in den Mast stieg, desto wohler fühlte sie sich. Das vielfach verstärkte Schwanken des Schiffs, die Kraft des Windes, die bessere Übersicht - das alles gefiel ihr.
"Hau ab, Kleine. Du störst hier!" Das war ein Matrose, der vom Ende einer Rahe mit der Faust drohte. - `Lächerlich!' - Teri kletterte weiter.
Nachdem sich der Abstand zwischen den beiden Schiffen kurzfristig vergrößert hatte, nahm der Finder nach einer Wende schon wieder Fahrt auf. Seine Absicht war klar: Er wollte längsseits der Kao-lad gehen, um ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen und sie so zu stoppen. - Wie das Manöver auch immer ausging, das Finderschiff würde nahe herankommen, dieses Mal. Sehr nahe sogar.
Geschmeidig erhoben sich aus der Gruppe der Kraan zwei der jüngsten Frauen und gingen zur Reling. Gleichzeitig begann Aska, die Mutter Bgobos, mit einem ängstlichen, dünnen Gesang, der schlagartig allen, die an Bord waren, den Mut nahm. Sie waren allein auf hoher See den schnellen und brutalen Attacken eines rücksichtslosen Angreifers ausgesetzt. Sie waren verloren! Die Matrosen in den Rahen, die sich für den nächsten Befehl des Kapitäns bereithielten, ließen die Hände sinken. Die ganze Flucht hatte doch keinen Sinn, das wußte plötzlich jeder an Bord. Warum also das Ende hinauszögern? Das Beste war doch, einfach aufzugeben und sich den Findern auszuliefern. Selbst der Kapitän auf dem Achterdeck schaute resignierend auf die Planken und ließ dem Schiff seinen Lauf. Was war seine seemännische Kunst im Vergleich zu der Überlegenheit der Finder? Früher oder später würde ein Feuerpfeil die Segel der Kao-lad in Brand setzen, und dann war die Fahrt ohnehin zu Ende.
Das Finderschiff hatte inzwischen stark aufgeholt. Es würde sich etwa dreißig Mannslängen von der Seidenprinzessin entfernt vor den Wind legen. Hatte die plumpe Kao-lad erst einmal Fahrt verloren, war der Rest ein Kinderspiel. In weniger als vier Sonnenhöhen würde an Bord des Frachters niemand mehr leben, und die Finder würden wieder einmal einen guten `Fund' zu feiern haben. Jedermann an Bord der Kao-lad hatte in diesem Moment mit dem Leben abgeschlossen.
Plötzlich änderte sich das Lied der Alten dramatisch. Lauter werdend, ließ sie Melodie und Rhythmus schneller und härter klingen. Innerhalb weniger Takte war aus dem klagenden Jammergesang einer ängstlichen Seele ein kraftvolles Kampflied geworden.
Die Wirkung war erstaunlich. Wie eine Windböe in einen schlafenden Wald, so fuhr das Lied in Mannschaft und Passagiere der Kao-lad. Überall fand das Fünkchen aufflackernden Mutes reichliche Nahrung. Muskeln strafften sich und Hände ballten sich zu Fäusten. Was immer als Waffe dienen konnte, wurde
Weitere Kostenlose Bücher