Sturm ueber Thedra
Fürchtet die Boten Harmugeds, die Euch verfolgen werden; die die Stunde Eures Todes schon kennen und ihre Krallen in Euren lebendigen Geist schlagen werden! Neigt Euer Haupt zu Boden und tut Buße! Noch ist es Zeit, der ewigen Kälte zu entfliehen!"
"Gut!" Der Kapitän drehte sich wieder Acon zu, der geifernd vor den Stufen des Achterdecks stand und sich fürs erste verausgabt zu haben schien. "Gut! Das Schiff wurde errettet, und ich sehe ein, dass ich dankbar zu sein habe!"
Acon wartete mit steinernem Gesicht ab. Konnte es sein, dass seine Brandrede so schnell zum Erfolg geführt hatte?
"Gerade habe ich angeordnet, dass aus meinen privaten Beständen ein großer Krug des besten Weines geopfert wird. - Möge er den Kraan gut munden!" Damit war das Gespräch für den Kapitän beendet.
Abrupt drehte Acon sich um und ging zu seinen Leuten, die demütig einige Schritte hinter ihm gewartet hatten. Teri schaute zu, wie die Männer zu ihrem Lagerplatz auf dem Deck gingen und sich dort niederließen.
"Worte des Dankes!", fing Acon unverzüglich an zu rezitieren.
"Worte des Dankes!", wiederholte die kleine Schar seiner Gefolgsleute.
"Dank sei dir, oh Harmuged, für deine große Güte!"
"Dank sei dir, oh Harmuged, für ..."
Teri wurde es langweilig und sie wandte sich wichtigeren Sachen zu. Gemächlich schob sie sich das letzte Stückchen Brot in den Mund und ging dann zu den Kraan hinüber. Aska hatte versprochen, ihr heute das Lied der Mildtätigkeit beizubringen.
Langsam begann Teri die komplizierten Zusammenhänge der Kraan-Sprache zu begreifen. Die Kraan waren Meister der Zwischentöne. Je nach Aussprachetempo, Klangfarbe und Betonung konnte ein Wort bis zu neun verschiedenen Bedeutungen haben. Stundenlang hatte Teri schon mit der Alten zusammengesessen und leise singend die Vokabeln der fremden Sprache geübt. Aska war dabei eine sehr strenge, aber auch eine sehr geduldige Lehrerin gewesen. Teri machte der Unterricht zwar Spaß, aber ab und an war sie doch etwas ungehalten gewesen, wenn ihre Zunge ihr wieder mal nicht gehorchen wollte und ihre Lippen ganz andere Töne formten, als sie eigentlich wollte.
Es wäre Aska ein leichtes gewesen, das nervöse Kind mit ein paar Tönen des Liedes der Duldsamkeit zu beruhigen, genauso wie sie alle Vorgänge innerhalb der Reichweite ihrer Stimme bis zu einem gewissen Grad beeinflussen konnte. Trotzdem zog sie es vor, den Dingen ihren natürlichen Lauf zu lassen.
So lernte Teri denn die Gesänge der Kraan, wie jedes andere Kind sie auch gelernt hätte. Mal mehr, mal weniger begeistert - eifrig oder gelangweilt - je nach Stimmung. Aber immer wieder kam sie an das Lager der Kraan, um von Aska neue Texte zu hören. - Und immer war sie Aska willkommen.
Aska wußte nicht genau, was sie von Teri halten sollte. Einerseits war diese kleine Thedranerin ein zartes, nahezu zerbrechlich wirkendes Geschöpf, das durch seine aufgesetzte Oberflächlichkeit und scheinbare Kühle nicht gerade die Sympathien auf sich zog. Andererseits hatte Aska festgestellt, dass Teri eine ständige Angst davor hatte, sich an Menschen zu binden und nur darum eine so abweisende Art an den Tag legte.
Und dann war da noch etwas mit Teri: Sie sprach auf die Gesänge der Kraan so stark an, wie es Aska nicht für möglich gehalten hätte. Nicht nur, dass sie auf die feinsten Nuancen der Lieder reagierte; dieses kleine, blonde Mädchen war sogar als Kind schon in der Lage, Bilder und Stimmungen auf Aska zu übertragen.
Nun war das Einfangen von Stimmungen nichts so Besonderes für die alte Kraan. Ständig war sie von den diffusen Strömungen fremder Gedanken umgeben. Es machte ihr keine Schwierigkeiten, einen Menschen seiner Ausstrahlung nach richtig einzuordnen. Oft schon hatte sie die Artistengruppe vor Nachteilen bewahren können, indem sie Diebe, betrügerische Herbergswirte oder Kapitäne frühzeitig entlarvte. Dank dieser Fähigkeit Askas geriet die Gruppe so gut wie nie in Streit mit Außenstehenden, da deren Absichten sofort durchschaut und vereitelt werden konnten.
Hatten diese Empfindungen aber immer nur weich und verwaschen Askas Geist gestreift wie treibender Seetang, der umschlingt, aber nicht verletzt, so schnitten Teris Gedanken geradezu schmerzhaft in das Bewußtsein der Alten. Teri konnte Bilder machen, Gefühle wecken, Angst und Freude vermitteln. Seit Aska im Fremdenhaus von Thedra zum ersten Mal den Geist des Kindes berührt hatte, stand sie in ständiger Verbindung mit ihm.
Es war
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