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Sturm

Sturm

Titel: Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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»Schwarzklaue hat in der Stadt die Evakuierung der Somer organisiert, sonst nichts. Wir mussten ihre Dörfer niederbrennen, um Rickards Armee um ihre Versorgung zu bringen.«
    »Ihr habt die Dörfer der Somer niedergebrannt?«, fragte Gerit. Der Gedanke war abstoßend. »Dann seid ihr nicht besser als Westfalls Folterer.«
    »Das würde ich nicht sagen. Wir haben die Somer und all ihre Tiere und Vorräte in die Minen gebracht. Dort ist es warm, trocken und sicher. Im Frühling werden wir ihnen Dörfer errichten, um die sie jeder Bauer in Braekor oder Westfall beneiden wird. Wir haben ihnen das Gold gezeigt, das wir dafür beiseitegelegt haben. Das hat gereicht. Klingt das wie das Werk der Menschen, die du in Braekor gesehen hast?«
    »Nein«, sagte Gerit. Er stocherte mit einem Ast im Feuer herum. Funken stiegen in die sternklare Blindnacht. Die Bäume rund um die Lichtung wirkten in der Dunkelheit wie eine undurchdringliche schwarze Wand. Sie gaben Gerit ein Gefühl der Sicherheit, so wie die Mauern einer Festung.
    Er dachte an die Dokumente, die er scheinbar zufällig in Korvellans Quartier gefunden hatte, an die Unterredungen, die Schwarzklaue und der General nur um seinetwillen geführt hatten, an die Flucht, die keine gewesen war.
    »Warum?«, fragte er schließlich.
    »Um herauszufinden, ob du mich stolz machen würdest.« Korvellan zog das Kaninchen vom Spieß und begann es auf einem Teller aus Baumrinde zu zerteilen. »Und das hast du getan.«
    Gerit genoss das Lob, auch wenn er wusste, dass noch mehr dahinterstecken musste. Er fühlte sich, als habe er eine Prüfung bestanden. »Ich habe versucht, ehrenvoll zu handeln, das war alles«, sagte er. Es klang so bescheiden, wie er gehofft hatte.
    »Du hast nicht nur ehrenvoll gehandelt, du hast die Taten von Menschen und Nachtschatten gleich bewertet.«
    Gerit war sich nicht sicher, dass er verstand, was daran bemerkenswert sein sollte, also hob er nur die Schultern.
    Schweigend aßen sie das Kaninchen. Es war zäh und trocken.
    »Bevor wir kamen«, sagte Korvellan, als er die Knochen des Kaninchens ins Feuer warf, »warst du ein verzogenes, dummes Kind. Weißt du noch, was du damals vom Leben erwartet hast?«
    Es überraschte Gerit, wie lange er nachdenken musste, bis es ihm einfiel. »Meine Schwester sollte von Westfall aus das Fürstentum regieren. Meine Aufgabe wäre es gewesen, ihre Befehle umzusetzen.«
    Korvellan lächelte. »Und jetzt, da du einen Mann getötet und über eine Küche regiert hast, würde dir das für dein Leben reichen?«
    Im ersten Moment wollte Gerit darüber lachen, doch das Gefühl verging, bevor es seine Kehle verlassen konnte.
    »Nein«, sagte er, »das würde es nicht.«
    Korvellan nickte.
    Am nächsten Morgen ritten sie weiter. Korvellan hatte sich nach der Nacht nicht zurückverwandelt, also blieben sie den Straßen und Wegen fern, folgten stattdessen den Trampelpfaden, die Tiere im Wald hinterlassen hatten. Ab und zu ritt Korvellan auf einen Hügel und hob die Nase in die Luft.
    »Wir sind nahe«, sagte er nach dem vierten Hügel.
    Vor ihnen lichtete sich der Wald. Korvellan folgte dem Waldrand nach Westen. Ashanar war ein hügeliges Land mit engen Tälern und dichten Laubwäldern. Sie ritten stetig bergauf. Die Herbstsonne wärmte zuerst Gerits Rücken, dann sein Gesicht.
    Gerit zuckte zusammen, als etwas im Wald raschelte. Drei Nachtschatten traten aus dem Unterholz. Sie trugen keine Waffen außer ihren Zähnen und Klauen.
    »Willkommen, Korvellan«, sagte die einzige Frau in der Gruppe. »Schwarzklaue erwartet dich bereits. Wir werden dich zu ihm führen.«
    Ihr Blick streifte Gerit. Er nickte ihr zu, aber sie beachtete ihn nicht weiter. »Schwarzklaue ist hier?«, fragte er, als sie den drei Nachtschatten zu folgen begannen. »Ich dachte, er überwacht die Evakuierung.«
    »Er brach auf, kurz nachdem du die Festung verlassen hattest«, sagte Korvellan. Er stellte sich im Sattel auf. »Sieh.«
    Gerit war kleiner als Korvellan. Im ersten Moment sah er nichts außer der Hügelkuppe, die vor ihnen lag, dann begann sich die Landschaft dahinter abzuzeichnen. Unwillkürlich zügelte er sein Pferd.
    »Ich hatte gehofft, dem Zwerg würde es gelingen, die Nachricht zu verbreiten«, sagte Korvellan neben ihm. Zum ersten Mal, seit Gerit ihn kennen gelernt hatte, hörte er so etwas wie Begeisterung in seiner Stimme. »Meine Hoffnung hat sich erfüllt.«
    Es waren Tausende.
    Sie lagerten in Zelten zwischen den Hügeln und in selbst

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