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Sturm

Sturm

Titel: Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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fragte Ana. »Was ist, wenn Soldaten uns sehen?«
    Jonan hob die Schultern. »Sie suchen nach einer Gruppe Gaukler und einem Zahnlosen, nicht nach einem Mann und einer Frau. Uns droht keine Gefahr.«
    Ana dachte an Daneel und was er getan, wie er ausgesehen hatte. Es war, als hätte er sich selbst verzehrt. Sie hatte versucht, mit Jonan darüber zu reden, aber er hatte desinteressiert gewirkt, so als sähe er keinen Sinn darin, über die Vergangenheit nachzudenken. Daneel ist tot, hatte er gesagt. Die Fragen, die du hast, wird niemand mehr beantworten können.
    Gegen Nachmittag trafen sie zwei Frauen, die auf einem Karren Käfige voller Hühner hinter sich herzogen. Sie kamen vom Markt und waren auf dem Weg in ihr Dorf, um dort die Hühner weiterzuverkaufen. Von den Frauen erfuhren sie, dass sie das Sumpfland längst verlassen hatten und sich in der Provinz Lak-Binnou befanden. Ana wusste, dass ein Rat aus Stammesältesten hier regierte, aber sie war keinem von ihnen je begegnet. Die Frauen schenkten ihnen ein paar Eier, bevor sie weiterzogen. Jonan trank seine roh, Ana steckte ihre in die Tasche.
    Es war bereits dunkel, als sie den Markt erreichten, von dem die Frauen gesprochen hatten. Ana hatte ein Dorf erwartet, stattdessen fand sie nur einen gepflasterten, menschenleeren Platz und eine Holzhütte, neben der einige Karren standen. Dunkle Silhouetten lagen unter den Karren. Sie hörte jemanden schnarchen. Hinter der Hütte schnaubte ein Pferd.
    Der Regen hatte nachgelassen, und im Westen schimmerte einer der Monde durch die Wolken. Jonan ging auf die Hütte zu. Die Tür stand offen, wahrscheinlich um kühle Abendluft ins Innere zu lassen. Ein Fenster gab es nicht.
    Ana folgte Jonan und warf einen Blick durch die Tür ins Innere. Sie sah keine Möbel, nur eine rot glimmende Feuerstelle, die von Steinen eingerahmt wurde, und einige Matten, auf denen Menschen lagen. Sie schienen zu schlafen.
    »Ich glaube, das ist ein Gasthaus«, sagte sie.
    »Es ist nicht ein Gasthaus, sondern das einzige Gasthaus«, antwortete eine weibliche Stimme aus dem Inneren. Jemand erhob sich von einer der Matten und warf einige Zweige in die Feuerstelle. Kleine Flammen leckten darüber. Es begann zu knistern. »Kommt rein.«
    Ana wollte über die Schwelle treten, aber Jonan hielt sie auf. »Wir haben kein Geld«, flüsterte er. »Das …«
    Sie löste sich aus seinem Griff. »Entschuldige bitte«, wandte sie sich an die Silhouette im Dunkeln. »Man hat uns auf der Straße überfallen und ausgeraubt. Wir können dich für deine Gastfreundschaft nur mit Dankbarkeit entlohnen.«
    »Überfallen?« Die Stimme der Frau klang alt. Sie sprach einen schweren, kaum verständlichen Dialekt. »Was wird nur aus dieser Welt? Kommt, trocknet eure Kleidung und esst etwas Warmes. Ihr seht jung und kräftig aus. Wir werden am Morgen schon etwas finden, mit dem ihr mich bezahlen könnt.«
    Das Feuer flackerte höher und offenbarte ihr Gesicht. Ana schätzte, dass die Wirtin ungefähr im gleichen Alter wie Zrenje war, aber sie wirkte rundlicher und weicher. Ihr Haar war hell, wahrscheinlich weiß, ihre Haut glatt. Sie trug nur einen Lendenschurz.
    Ana wandte den Blick ab. »Du bist sehr großzügig.«
    Sie stieg über die Schlafenden hinweg, bis sie ein paar Matten entdeckte, auf denen genügend Platz für sie und Jonan war. Die alte Frau stellte einen tönernen Topf auf die Feuerstelle. »Fischsuppe«, sagte sie. »Es wird nicht lange dauern, bis sie warm ist.«
    Auf den Matten begannen sich andere Silhouetten zu regen. Jemand flüsterte etwas, das Ana nicht verstand. Ihr Magen knurrte.
    Die Frau lachte. »So ist es recht. Eine warme Mahlzeit und ein Dach über dem Kopf. Mehr braucht der Mensch nicht.«
    Sie nahm einen Holzlöffel und rührte die Suppe um. »In was für Zeiten leben wir nur? Überfälle auf den Straßen und auf dem Wasser. Heute Morgen noch hat mir jemand von Flößen erzählt, die flussaufwärts ans Ufer getrieben wurden. Kein Mensch an Bord, nur Blut überall. Furchtbar.«
    Ana warf Jonan einen raschen Blick zu. Er schüttelte kaum merklich den Kopf. »Wir haben nichts davon gehört«, sagte er.
    »Nachrichten sprechen sich in dieser Gegend nicht sehr schnell herum. Die Leute bleiben unter sich, keiner reist viel, vor allem nicht seit dieser schrecklichen Sache im Norden.«
    »Meinst du Somerstorm?«, fragte Ana.
    Die alte Frau nickte. »Ja, so heißt es wohl. Ich weiß nicht viel von diesen Dingen. Mein Leben lang habe ich in den Sümpfen

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