Sturmauge
Antil, doch seine böse Vorahnung wurde stärker. Er blickte zum Himmel auf. »Was sie auch vorhaben, sie tun es im Zwielicht, wenn die Götter ruhen.«
Ein Windhauch machte sich an seiner Robe zu schaffen, wie ein Kind, das ihn weiterzog, und trug den Geruch verbrannter Kräuter vom Tsatach-Tempel mit sich. Die Feuer brannten noch, aber er sah nichts von der Geschäftigkeit, die den heiligen Boden üblicherweise erfüllte.
»Damit die Götter nicht sehen, was sie tun?« Lonei bibberte bei diesem Gedanken beinahe. »Werden sie einen weiteren Tempel schänden?«
Antil blickte finster drein. »Ich weiß es nicht, aber was sie auch vorhaben, es wird auf jeden Fall weitere Leben kosten.«
Hinter den Byoranischen Wachen folgten zwei Wagen, auf denen Holz aufgetürmt worden war. Die Wagen rumpelten und schwankten auf dem steinigen Untergrund, und eines der Bretter rutschte herunter und fiel zu Boden.
»Sieht aus, als wollten sie eine Barrikade errichten. Ich frage mich nur, wo?«
Er spürte die Berührung einer Hand auf seinem Rücken und wich zurück, bemerkte dann aber, dass es Legana war, die hinter ihm stand. Sie hatte die Augen halb geschlossen, obwohl es alles andere als hell war.
»Ja, es wird Zeit zu gehen«, sagte er.
Er dankte Lonei und scheuchte ihn wieder hinein, wobei er versprach, baldmöglichst zurückzukehren und ihn ermahnte, auf Fragen stets nur zu sagen, er mache Krankenbesuche.
Legana und er gingen schweigend durch die Straßen Hales. Dabei verweigerte sie sich dem festen Griff nicht, mit dem er sie am Arm führte. Ihr Gesichtsausdruck verwirrte Antil immer weiter. Augenscheinlich hatte sie Angst wegen ihrer Verletzlichkeit, aber es umgab sie auch eine Aura der Verwunderung – wenn der Wind ihre Wange streichelte oder ein Pferd nah genug vorbeiritt, dass sie die Erschütterung der Hufe spüren konnte.
Die beiden folgten der leichten Neigung Hales bis zum Taubentor, das nach Bierbruch führte. Es stand nur eine Wache davor, ein junger Mann mit schmutzigem, langem Haar und verhärmten Wangen. Seine Miene erhellte sich, als er unter Leganas Kapuze spähte. Da er aber bemerkte, dass ihre Augen beinahe geschlossen waren, verzog er nur angewidert das Gesicht.
»Passierschein«, sagte er gelangweilt.
»Entschuldigung?«, fragte Antil verwundert.
Der Junge streckte eine Hand aus. »Passierschein«, wiederholte er mit stumpfen Augen, die nicht blinzelten.
»Ich brauche einen Passierschein, um Hale zu verlassen?«
»Ihr seid doch ein Priester, oder nicht?«
»Wann hat man dieses Gesetz erlassen?«, wollte Antil bestürzt wissen.
»Vor drei Tagen. Die Verkündigungen hängen überall.« Er hielt eine Hellebarde im Arm und stützte sich nun auf die Waffe, während er Antil musterte.
»Tut mir leid«, sagte Antil höflich. »Ich habe mich in den letzten Tagen um Patienten kümmern müssen. Wie bekomme ich so einen Passierschein? Ich muss diese Frau zu ihrer Familie in Bierbruch zurückbringen.«
Die Wache zeigte ein schräges Lächeln. »Nun, wir wollen ja nicht, dass Ihr Eure Pflichten vernachlässigen müsst, oder?«, erklärte er und wies mit dem Daumen auf das kleine Wachhaus, das in die Steinwand eingelassen war. »Bringt das Mädchen dort hinein, dann kümmere ich mich darum.«
Väterlich legte Antil Legana die Hand auf den Arm. »Nein, ich denke, wir kehren vielleicht besser einfach in den Tempel zurück.«
»Ach, das denkt Ihr Euch? Wie wäre es dann, wenn ich beschließe, dass Ihr Verräter seid? Vielleicht habe ich Euch ja aus dem Rubinturm laufen sehen, nachdem all Eure Gefährten getötet wurden?«
»Nein!«, rief Antil, und seine Stimme verriet die Angst, die er hatte.
Die Wache senkte die Klinge der Hellebarde auf Schulterhöhe. »Dann seht zu, dass Ihr in den Wachraum kommt, damit ich mich um Euren Passierschein kümmern kann«, knurrte er.
Antil war so außer Fassung, dass er zuließ, in den dunklen Raum getrieben zu werden, in dem es nach Rauch und Schweiß stank. Neben einem Waffenständer an der Rückwand befanden sich nur ein eckiger Tisch und einige Hocker im Raum. Kaum waren sie drin, da stieß ihn die Wache schon grob vorwärts, so dass er über einen Hocker stolperte und zu Boden fiel.
»Du bleibst da«, warnte ihn der junge Wachmann, lehnte die Pike an die Wand, klopfte aber vielsagend auf den Knauf seines Kurzschwertes, das noch in der Scheide steckte.
Während sich der Priester langsam wieder aufrappelte, trat der Soldat die Tür mit der Hacke zu und schob
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