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Sturmbote

Sturmbote

Titel: Sturmbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Lloyd
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nachdem die Tore aufgerissen und die Bewohner abgeschlachtet worden waren.
    Eine mit Kupfer umwundene und mit einem Wachspropfen verschlossene Flasche, die an einer langen goldenen Kette um seinen Hals hing, schlug leise gegen den Fels und er zog sie hoch, um sie in eine der vielen Taschen seiner Flickenrobe zu stecken. Für ein Weißauge war er klein, aber er war der Erwählte Larats und Lord des Verborgenen Turms – und sein Geist war schärfer als seine Klinge. Er trug keine Rüstung und nur einen langen Dolch, aber Jahre des Studiums hatten ihn mit Waffen ausgestattet, die kaum ein Soldat je begreifen könnte. Die Menin waren zwar das erwählte Volk Karkarns – des Kriegsgottes –, aber Salen hatte den geordneten Wegen Larats den Vorzug über Karkarns brutale Stärke gegeben. In Lord Styrax’ Abwesenheit hatte er diese Stadt nur mit Worten befriedet. Wenn er sich anstrengte, würde das Fundament Thotels erzittern.
     
    »Lord Salen?« Der Bote hustete unsicher und versuchte nicht allzu sehr auf all die Amulette und Glückbringer zu starren, die in jeden der bunten Fetzen Kleidung eingelassen waren. Bei einigen tränten ihm die Augen, weil sie sich wanden, um seinem Blick zu entgehen. Auf anderen aus angelaufenem Metall prangten Edelsteine, die zu sehr strahlten, um zu ihren armseligen Fassungen
zu passen. Einige waren im Halbdunkel nicht zu erkennen. Von diesen wurde Mikiss’ Blick am stärksten angezogen – er war froh, dass er keine Einzelheiten erkennen konnte.
    Der Magier regte sich nicht.
    »Mein Lord, eine Nachricht von Larim«, wiederholte Mikiss.
    »Die Maden sind heute ruhig.«
    »Mein Lord?«
    »Die Chetse. Findest du nicht, dass sie wie Maden leben, Mikiss? Graben sich durch diese riesigen Steine, durchlöchern diese uralten Formationen. Seit wir die Stadt einnahmen, gab es in jeder Nacht Aufruhr, aber heute Nacht ist es ruhig. Vielleicht besitzen selbst Maden einfache Sinne, ausgeprägt genug, um etwas zu wittern.«
    »Das weiß ich nicht, Lord. Eine der Patrouillen erschlug einige junge Chetse, die nach der Ausgangssperre unterwegs waren – einer trug eine Waffe bei sich, also wurden sie gemäß Eurer Anordnung alle hingerichtet.«
    »Und die Vorteile dieser Befehle werden nun offenbar: Ich genieße an diesem Abend den Frieden, den sie der Stadt gebracht haben. Diese Leute muss man einschüchtern. Schade, dass Styrax das nicht erkannt hat.« Das Weißauge lehnte sich über das Geländer und blickte unmittelbar nach unten. Mikiss konnte das Kratzen der Ringe auf dem Stein hören. Salens Robe bewegte sich, obwohl kein Wind wehte.
    »Äh, die Nachricht, mein Lord?«, wiederholte Mikiss und versuchte die Anspannung aus seiner Stimme zu halten. »Lord Larim sah, dass sich die Wyvern nähert, also wird Lord Styrax bald hier sein.«
    »Gut, ich habe auf ihn gewartet. Ich frage mich, was er angestellt hat. Was kann so lang gedauert haben?« Salens Stimme war auf höfische Weise gemessen und ruhig, aber Mikiss kam sie dennoch düster vor. Er erschauderte. Eine Echse würde so sprechen.
Larats Adepten waren alle so: Ihre Worte waren gemessen, flüsternd gesprochen, ihre Augen waren ausdruckslos und unmenschlich. Er wusste, dass ein Verrat geplant wurde, und er fühlte sich, als habe die Fäulnis der Nachrichten, die er im Laufe der letzten Wochen überbracht hatte, auf ihn übergegriffen und ihn mit Larats Einfluss vergiftet. In ihm war ein lang vergessenes Pflichtbewusstsein erwacht, ein Ehrgefühl, das um Aufmerksamkeit heischte. Aber er hatte den Blick Salens die ganze Woche über auf sich gespürt und konnte ob dieser unnatürlichen Anwesenheit, die kalt und schwer auf seinem Geist lastete, kaum schlafen oder essen. Die Last der Erschöpfung machte seine Schritte schwer.
    »Begib dich zu Quistal. Sag ihm, er soll sich darauf vorbereiten, unseren Lord willkommen zu heißen.«
    »Ich …« Er verstummte plötzlich.
    Salen wandte sich langsam um. Seine dünnen Züge spannten sich. »Hast du etwas zu sagen?« Ein gepflegter Fingernagel klopfte auf den Elfenbeingriff seines Dolches und die andere Hand spielte mit etwas in einer Tasche. Mikiss wusste genug über die Adepten des Larat, um das Verborgene stärker zu fürchten.
    Er konnte den Blick dieser nicht blinzelnden, weißen Augen nicht ertragen. Er blickte zu Boden und fragte: »Soll ich Lord Kohrad und General Gaur suchen?« Er wusste, dass der Magier nicht wollte, dass man den Sohn seines Lords und seinen treuesten Untertan verständigte,

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