Sturmbote
in diesem Fall auf Zhias Seite stehen. Die Raylin hatten mit Loyalität und Ehre nichts am Hut. Man bekam, wofür man gezahlt hatte, und man zahlte für reizbare Gestalten und kaum beherrschte Fähigkeiten und Talente.
»Und was jetzt?«
»Jetzt haben wir Arbeit zu erledigen.«
»Arbeit?«, wiederholte Legana, die sich endlich zu Wort meldete. »Ihr werdet Sialas Befehle befolgen?«
»Natürlich, denn sie hat ja genau das befohlen, was ich mir erhofft hatte. Sie will, dass ich mich mit ihrem Heer befasse, damit die Soldaten ausgebildet werden und sie eine Chance gegen die Farlan hat. Im Augenblick hat sie nur einen wilden Haufen: unerfahrene Rekruten, Söldner unterschiedlichster Güte, Adlige niederer Abstammung und Raylin aller Art. Eine solche Meute ist nutzlos, doch wenn niemand die Führung übernimmt, bleiben
sie eine Meute. Also muss ich Offiziere suchen, sicherstellen, dass in jedem Regiment erfahrene Soldaten dienen und alle verfügbaren Raylin in den Kommandostab bringen. Ihr Raylin könnt herannahenden Ärger riechen. Haipar, deine erste Aufgabe besteht darin, die Narren davon zu überzeugen, mir einige ihrer Akolythen zu verkaufen, wenn möglich sogar ein halbes Dutzend, denn es muss mehr als die Ausbildung in Angriff genommen werden.«
Spöttisch deutete Haipar einen Knicks an. »Ärger zu riechen ist Teil unserer Aufgabe, immerhin sind wir Söldner.«
»Ich weiß, aber bei euch ist es eine rechte Gabe. Du erwähntest Erizol, die Feuerbeschwörerin. Zieht Matak Schlangenzahn auch mit euch? Hat einer von euch aus besonderem Grund Scree vorgeschlagen?«
»Ich …« Haipar wirkte von dieser Frage verwundert. Sie strich sich das weißgraue Haar aus dem gebräunten Gesicht. »Ich glaube nicht. Wir beschlossen, dass es Zeit sei, aufzubrechen und gelangten hierher. Wir wussten nicht, dass andere Raylin vor Ort waren, bis wir Braban erreichten, das Dorf, wo ich die anderen zurückließ. Dort gesellte sich Tachos Eisenhaut zu uns sowie eine Frau, die ich nicht kannte und die sich Flitter nennt. Stadtwachen werden leicht unangemessen nervös, wenn sie mehr als ein Paar von uns auf einem Haufen sehen. Darum kam ich, um für uns alle zu sprechen.«
»Ich denke, es ist von Bedeutung, dass sich so viele in Scree versammelt haben. Deine Art ist genauso schlimm wie die Weißaugen, wenn es darum geht, einen von euch in der Nähe zu ertragen. Es liegt etwas in der Luft, ein Sturm kommt auf. Ich habe vor herauszufinden, was es ist, und darauf vorbereitet zu sein, wenn es soweit ist.« Ihr Gesicht verdüsterte sich. »Wenn ich einen fahrenden Barden mit einer Omenkette sehe, bin ich geneigt zu glauben, dass ihr Raylin zu Recht Ärger gerochen habt.«
7
Lord Salen blickte im grauen Abendlicht auf die Täler und Schluchten hinab, die die Straßen der großen Stadt Thotel bildeten. Auf diese Entfernung waren die Geräusche der Posten und Patrouillen, mit denen die eroberten Bewohner in Schach gehalten wurden, nicht zu hören. Die Fackeln und Wachfeuer waren wenig mehr als helle Nadelstiche im Dunkel. Salen genoss das Gefühl, sich über den Rest der Menschheit erhoben zu haben. Hier, über den dunklen Straßen, hielt sich noch ein Rest des Sonnenlichts. Schwindel erfasste ihn für einen Augenblick und vermittelte ihm das Gefühl, auf der Spitze eines Berges zu stehen, als sei sein Körper leicht genug, um in den Abgrund davonzuschweben.
Er schüttelte dieses unangenehme Gefühl ab und wandte sich wieder Thotel zu. Diese Stadt ähnelte keiner Meninstadt. Die ausgehöhlten Felsformationen, von den Chetse Dunkelfelsen genannt, bestanden aus verwittertem Granit. Sie lagen überall in dem tiefen Tal verstreut, wie das Spielzeug eines Riesen.
Wind und Wasser hatten das weichere Gestein abgetragen und diese gewaltigen Felsblöcke freigelegt. Dann hatten die Chetse an ihnen gearbeitet, bis sie von Tunneln und Wohnkammern durchzogen waren. Im Vergleich dazu wirkten die Lehmziegelhäuser wie Wurmschiss.
In jeden Dunkelfelsen war der Name eines Clans eingemeißelt und wies ihn als eigenständige Gemeinschaft und Festung aus. Einige Clans hatten sich geweigert, sich den Menin zu ergeben, hatten geglaubt, die verschlossenen Tore würden sie sicher durch die Belagerung bringen …
Lord Salen lehnte sich in diesem Augenblick aus einem offenen Fenster am höchsten Punkt eines solchen Dunkelfelsen. Die raue Felskante fühlte sich unter seiner Hand erstaunlich angenehm an, als würde sich die Wand noch immer wehren, lange
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