Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
vor Erleichterung aufgeschluchzt.
Rückwärts kam er aus der Tür, wobei er Gramser an den ausgestreckten Armen hinter sich herzog. Der Privatdetektiv schien einiges abbekommen zu haben. Eine stark blutende Platzwunde zog sich über seine Stirn. Ein Hosenbein war aufgerissen und ebenfalls voller Blut, während bei dem anderen Bein der Unterschenkel ab dem Knie in einem seltsamen Winkel abgespreizt war. Von dem anderen Mann war nichts zu sehen.
Suna atmete einmal tief durch, verlor aber keine Zeit. Sie schaffte es, Carolin bis zu Daniels Mietwagen zu ziehen und die Beifahrertür zu öffnen. Noch immer hatte Carolin die Augen halb geschlossen und schien nur einen Teil davon mitzubekommen, was um sie herum vorging.
»Hör zu, du musst jetzt ein bisschen mithelfen«, sagte Suna. »Allein schaffe ich es nicht, dich ins Auto zu kriegen.«
Trotz ihres Zustands schien Carolin zu verstehen. Sie stemmte die Beine in den Sand und versuchte sich hochzudrücken. Mit ihrer Unterstützung konnte Suna sie auf den Beifahrersitz schieben. Sie schloss die Tür, rannte um den Wagen herum, setzte sich auf den Fahrersitz und startete den Motor. Bevor sie wieder ausstieg, drehte sie die Heizung auf volle Leistung.
»Ich bin gleich wieder bei dir«, beruhigte sie Carolin und schlug die Fahrertür zu. Sie lief zu Daniel, der neben dem im Sand liegenden Gramser stand. Er hatte die Hände auf die Oberschenkel gestützt und keuchte.
»Bist du völlig verrückt geworden, noch mal ins Haus zu laufen? Du hättest da drin umkommen können!«, schrie sie ihn an.
Daniel sah sie ruhig an. »Ich weiß«, rief er durch den Sturm. »Aber das war mir egal. Gramser ist vielleicht der Einzige, der weiß, was wirklich mit meinem Bruder passiert ist. Ich konnte ihn da drin nicht einfach verrecken lassen.« Dann wanderte sein Blick zu seinem Mietwagen. »Wie geht es Carolin?«
Suna schüttelte den Kopf. »Nicht gut. Wir müssen sie sofort in die Klinik bringen.«
»Das wird nicht nötig sein«, widersprach Daniel. Auf seiner Miene zeigte sich Erleichterung. »Hilfe ist schon da.« Er wies mit einer Kopfbewegung in Richtung Straße, von der sich ein Streifenwagen näherte, dicht gefolgt von einem Krankenwagen.
»Ich glaub’ es nicht. Fenja hat es tatsächlich geschafft, die Polizei davon zu überzeugen, dass Carolin hier gefangen gehalten wird«, meinte Suna beeindruckt. »Ich denke, ich kann noch einiges von ihr lernen.«
Während Daniel auf die beiden sich nähernden Fahrzeuge zulief und sie heranwinkte, kehrte Suna zu dem Geländewagen zurück. Sie setzte sich wieder auf den Fahrersitz und schloss die Tür hinter sich. Im Inneren des Wagens herrschte inzwischen eine wohlige Wärme. Langsam begann die Anspannung von Suna abzufallen. Sie merkte, dass ihr ein bisschen schwindlig wurde.
»Der Krankenwagen ist schon hier.« Sie lächelte Carolin an. »Die Sanitäter werden sich gleich um dich kümmern. Dann geht es dir bald besser.«
Carolin versuchte, die Augen offen zu halten. Ihr Blick huschte unstetig hin und her.
»Fenja«, begann sie.
»Wir sagen Fenja Bescheid, dass du im Krankenhaus bist. Sie wird dich bestimmt gleich sehen wollen«, redete Suna auf sie ein, doch Carolin schüttelte den Kopf und griff nach ihrem Arm.
»Nein«, brachte sie mühsam hervor. Sie sprach so undeutlich, dass Suna sie nur schwer verstehen konnte. »Nein, du musst ihr sofort etwas sagen, wenn du sie siehst. Das ist sehr wichtig, versprich es mir, okay?«
Als Suna nickte, fuhr sie fort: »Gramser hat da etwas zu Kristian gesagt, bevor er mir die Spritze gegeben hat. Fenja muss das unbedingt wissen. Er hat gesagt: Du hattest doch auch keine Skrupel, diesen Sennemann abzustechen. «
Donnerstag, 21. Februar
Das Feuer knackte und knisterte, als meterhohe Flammen in den nachtschwarzen Himmel schlugen. Immer wieder fielen brennende Holzscheite und Äste in sich zusammen und hinterließen einen Funkenschwarm.
Suna genoss die wohlige Wärme, die vom Feuer ausging. Es war der Abend des 21. Februar, des Tages, an dem das traditionelle Biikebrennen auf Sylt stattfand.
Früher, so hatte Fenja ihr erklärt, war das Fest gefeiert worden, um die Seeleute und vor allem die Walfänger zu verabschieden, die die Insel bis zum Spätherbst auf ihren Schiffen verließen. Heute wurde damit der Winter ausgetrieben, und es war nicht nur ein Touristenspektakel, sondern auch eine gute Gelegenheit für die Einheimischen, sich zu treffen.
Die meisten Touristen hatten sich bereits
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