Sturmflut: Ein Fall für Suna Lürssen (German Edition)
erschrocken.
Daniel sah sich misstrauisch um. »Ich habe keine Ahnung. Aber es hörte sich nicht wirklich gut an. Wir sollten so schnell wie möglich hier raus.« Er streckte die Hand aus, um Suna aufzuhelfen.
Gemeinsam hievten sie Carolin hoch, nahmen sie zwischen sich und stützten sie von beiden Seiten, als sie mit ihr zurück ins Wohnzimmer liefen.
Daniel stieg als Erster aus dem Fenster. Dann zog er Carolin hinter sich ins Freie, während Suna von innen half. Als auch sie von der Fensterbank auf den nachgiebigen Sand sprang, peitschte ihr der Wind sofort wieder unerbittlich den Regen ins Gesicht. Er war so kalt, dass ihre Haut zu schmerzen begann.
Mit Entsetzen erkannte sie, was das Knacken im Inneren des Hauses bedeutet hatte.
Die Flut war noch weiter gestiegen und hatte das Haus inzwischen erreicht. Wellen mit vom mitgetragenen Sand bräunlich verfärbten Schaumkronen umspülten die dem Wasser zugewandte Hausseite. Leichte Übelkeit stieg in Suna auf.
»Bloß weg hier!«, schrie sie.
Daniel nickte. Zusammen stützten sie Carolin, die nur noch halb bei Bewusstsein war. Sie murmelte unablässig vor sich hin. Suna verstand nicht, was sie sagte, hörte aber, dass immer wieder die Worte Fenja und Kristian fielen.
»Bleib ganz ruhig. Wir bringen dich jetzt ins Krankenhaus, da wird man dir helfen«, sagte sie mit beruhigender Stimme, war sich aber nicht sicher, ob ihre Worte nicht vom Sturm verschluckt wurden.
Als sie um die Hausecke biegen wollten, nahm Suna eine Bewegung vor dem Haus wahr. Reflexartig wich sie ein Stück zurück und schob auch Daniel nach hinten. Mit einer raschen Handbewegung gab sie ihm zu verstehen, dass jemand vor dem Haus war. Vorsichtig lehnten sie sich etwas vor und spähten hinüber.
Ein weißer Volvo stand direkt hinter Daniels Geländewagen. Zwei Männer, der eine schlank und gut aussehend, der andere mit Glatze und extrem kräftigem Körperbau, kämpften sich durch den Sturm zum Haus. Der Schlanke zog einen Schlüssel hervor und steckte ihn ins Schloss der Tür.
Daniel stieß Suna an und beugte sich zu ihr hinüber. »Der eine ist Gramser. Kristian muss ihm den Schlüssel gegeben haben«, sagte er ihr direkt ins Ohr. »Den anderen kenne ich nicht.«
»Was jetzt?«, fragte Suna verzweifelt. Selbst wenn sie unbemerkt den Wagen erreichten, kamen sie nicht weg. Der Volvo versperrte ihnen den Weg.
Daniel zuckte die Achseln. Auch er wirkte verunsichert. »Keine Ahnung. Wir müssen warten. Vielleicht verschwinden sie wieder.«
»Das glaube ich nicht. Sie wissen, dass wir hier sind. Schließlich steht das Auto vor dem Haus. Wenn sie uns drinnen nicht finden, werden sie hier draußen nach uns suchen.« Suna sah sich verzweifelt um. Aber in den weitläufigen, mit Strandhafer bewachsenen Dünen gab es keine Versteckmöglichkeit.
»Ich laufe zum Volvo. Wenn sie den Schlüssel haben stecken lassen, können wir vielleicht damit abhauen«, schlug sie schließlich vor. Bevor Daniel sie zurückhalten konnte, war sie schon auf dem Weg zu den beiden Fahrzeugen.
Plötzlich ertönte wieder ein Knarren und Knacken. Es war so laut, dass nicht einmal der Sturm und die See es übertönen konnten.
Suna fuhr entsetzt herum. Als ihr klar wurde, was gerade passierte, schrie sie entsetzt auf.
Die Wellen hatten das Fundament so weit unterspült, dass es das Gewicht des Hauses nicht mehr tragen konnte. Der dem Meer zugewandte Teil sackte ab. Ein tiefer Riss wie bei einem Erdbeben zog sich durch das Dach und verbreiterte sich zusehends. Einzelne Dachziegel stürzten ins Hausinnere.
»Daniel!«, schrie Suna panisch. Sie hatte Angst, dass die Hauswand einstürzen und ihn mitsamt Carolin unter sich begraben könnte.
Als sie sah, dass Daniel Carolin hochhob und den matten Körper ein Stück vom Haus wegtrug, beruhigte sie sich wieder etwas. Doch plötzlich legte er Carolin im nassen Sand ab, rannte zum immer noch offen stehenden Eingang der Villa und verschwand darin.
»Nein! Daniel, komm zurück! Bist du verrückt geworden?«, brüllte Suna außer sich vor Angst. Aber selbst wenn Daniel ihre Worte hätte hören können, hätte er sich kaum zurückhalten lassen.
Suna rannte zu Carolin hinüber, schlang ihr von hinten die Arme um die Taille und begann, sie zu den Fahrzeugen zu ziehen. Währenddessen ließ sie den Eingang zum Haus keine Sekunde aus den Augen.
Es konnten nur wenige Minuten vergangen sein, aber ihr kam es vor, als wartete sie eine Ewigkeit. Als Daniel wieder auftauchte, hätte sie beinahe
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