Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
und Peinlichkeit gewesen, doch Susebron fand sie faszinierend und sogar verführerisch.
Sie lächelte wieder und gab sich ihren Tagträumen hin. Doch allmählich drang das wahre Leben in diese Träume ein. Susebron schwebte in Gefahr. In wirklicher, ernster Gefahr. Er weigerte sich zu glauben, dass seine Priester ihm etwas Böses wollten oder eine Bedrohung für ihn darstellten. Dieselbe Unschuld, die ihn so anziehend machte, stellte gleichzeitig eine schreckliche Belastung dar.
Aber was sollte sie tun? Niemand sonst wusste um seine missliche Lage. Es gab nur eine einzige Person, die ihm helfen konnte. Und diese Person war ihrer Aufgabe leider nicht gewachsen. Sie hatte ihren Unterricht vernachlässigt und war völlig unvorbereitet in diese Situation gestolpert.
Na und?, flüsterte etwas in ihr.
Sie starrte weiterhin die Decke an. Es fiel ihr schwer, ihre gewöhnliche Scham darüber zu verspüren, dass sie ihre Unterrichtsstunden geschwänzt hatte. Sie hatte einen Fehler begangen. Aber wie lange wollte sie noch Trübsal darüber blasen und sich wegen etwas ärgern, das unweigerlich vergangen war?
In Ordnung, sagte sie sich. Genug der Ausflüchte. Ich bin zwar vielleicht nicht so gut vorbereitet, wie ich es hätte sein sollen, aber ich bin jetzt hier und muss etwas unternehmen.
Weil es sonst niemand tut.
Sie kletterte aus dem Bett und fuhr sich mit den Fingern durch die langen Haare. Susebron liebte sie so lang; auch Siris Dienerinnen fanden sie faszinierend. Und da diese Siri bei der Pflege halfen, konnte sie es sich leisten, sie lang zu tragen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und ging, nur mit ihrem Hemdchen bekleidet, im Zimmer auf und ab. Sie musste eingreifen, denn das hier war kein Spiel. Hier ging es um das Leben des Gottkönigs.
Sie kramte in ihren Erinnerungen und versuchte, sich so viel wie möglich aus ihren Unterrichtsstunden ins Gedächtnis zu rufen. In der Politik ging es um Austausch. Es ging darum, das zu geben, was man besaß– oder was man zu besitzen vorgab–, um dadurch noch mehr zu bekommen. Es war wie bei den Kaufleuten. Man begann mit einem gewissen Warenbestand und hoffte, am Ende des Jahres diesen Bestand vergrößert zu haben.
Macht nicht zu viele Wellen, bevor Ihr bereit zum Losschlagen seid, hatte Lichtsang zu ihr gesagt. Erscheint nicht zu unschuldig, aber auch nicht zu klug. Seid durchschnittlich.
Sie blieb neben dem Bett stehen, nahm die Laken ab und warf sie ins Kaminfeuer, damit sie verbrannten, wie es Siris tägliche Pflicht war.
Austausch, dachte sie und sah zu, wie die Laken in dem großen Kamin Feuer fingen. Was habe ich denn, das ich anbieten könnte? Nicht viel.
Es musste reichen.
Sie ging hinüber und zog die Tür auf. Wie gewöhnlich wartete draußen eine Gruppe Dienerinnen. Siris Hofdamen umschwirrten sie und brachten ihr frische Kleidung. Eine andere Gruppe aber begab sich in den Raum und säuberte ihn. Einige dieser Frauen trugen Braun.
Während ihre Dienerinnen Siri ankleideten, beobachtete sie eines der Mädchen in Braun. In einem passenden Augenblick trat Siri näher und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
» Du bist aus Pahn Kahl«, sagte Siri leise.
Das überraschte Mädchen nickte.
» Ich will, dass du Blaufinger eine Botschaft von mir überbringst«, flüsterte Siri. » Sag ihm, ich besitze lebenswichtige Informationen, die er unbedingt erhalten muss. Ich würde sie gern eintauschen. Sag ihm, dass das seine Pläne grundlegend ändern könnte.«
Das Mädchen erbleichte, aber es nickte, und Siri trat zurück, damit sie weiter angekleidet werden konnte. Einige der anderen Dienerinnen hatten den kurzen Wortwechsel gehört, aber es war ein heiliger Glaubenssatz der hallandrischen Religion, dass die Diener und Dienerinnen eines Gottes oder einer Göttin niemals das weitergaben, was sie vertraulich erfahren hatten. Hoffentlich hielt sich das Mädchen an dieses Gebot. Wenn nicht, so hatte Siri wenigstens nicht besonders viel preisgegeben.
Nun musste sie sich nur noch überlegen, um welche » lebenswichtigen Informationen« es ging und warum sie wichtig für Blaufinger sein sollten.
» Meine liebe Königin!«, sagte Lichtsang, der es sogar wagte, Siri kurz zu umarmen, als sie seine Loge in der Arena betrat.
Siri lächelte, als Lichtsang ihr mit einer Handbewegung bedeutete, sie solle sich auf eine seiner Chaiselongues setzen. Vorsichtig nahm Siri Platz. Allmählich lernte sie die aufwändigen hallandrischen Kleider zu schätzen, aber es
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