Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
die Schreiber, die die Kommandolosungen für die Leblosen-Armeen hatten«, sagte Vascher. » Sie haben die Truppen bereits losgeschickt. Die Leblosen haben die Stadt vor mehr als einer Stunde verlassen und marschieren auf Idris zu.«
Vivenna sagte nichts darauf.
» Alles, was mit Denth zu tun hatte, und all diese Kämpfe waren nur zweitrangig«, fuhr Vascher fort und schlug seinen Kopf gegen die Wand. » Es sollte uns bloß ablenken. Ich konnte nicht mehr rechtzeitig zu den Leblosen stoßen. Der Krieg hat begonnen, und es gibt keine Möglichkeit mehr, ihn aufzuhalten.«
Susebron führte Siri in die Tiefen des Palastes. Siri ging neben ihm, schmiegte sich in seine Umarmung, und Hunderte zuckende Stoffbahnen wirbelten um sie herum.
Obwohl er so viele Dinge gleichzeitig erweckt hatte, besaß er noch immer genug Hauch, um jede Farbe, an der sie vorbeikamen, zum hellen Erstrahlen zu bringen. Natürlich bezog sich das nicht auf alle Steine, die sie passierten. Aber obwohl große Teile des Gebäudes noch immer schwarz waren, hatte mindestens die Hälfte eine weiße Färbung angenommen.
Es war keineswegs das gewöhnliche Grau des Erweckens. Sie waren weiß wie Knochen. Und natürlich reagierten sie auf sein unglaubliches Biochroma und brachen bei seinem Vorbeigehen in Farben aus. Es ist wie ein Kreislauf, dachte sie. Zuerst farbig, dann weiß, dann wieder farbig.
Er führte sie in ein besonderes Zimmer, und sie sah, was er schon angekündigt hatte. Schreiber waren von den Teppichen, die er erweckt hatte, zerquetscht worden, Stäbe waren aus Käfigen gerissen, die Wände waren zerschmettert. Eine Stoffbahn breitete sich vor Susebron aus und legte sich über eine der Leichen, damit Siri ihre Wunden nicht sehen musste. Doch sie achtete kaum darauf. Inmitten all dieser Vernichtung befanden sich zwei Leichen, die ihre Aufmerksamkeit weckten. Die eine war Schamweberin. Sie war rot von Blut und lag mit dem Gesicht nach unten. Die andere war Lichtsang, dessen gesamter Körper völlig farblos geworden war. Als ob er ein Lebloser wäre.
Er hatte die Augen geschlossen und schien friedlich zu schlafen. Ein Mann kauerte neben ihm– es war Lichtsangs Hohepriester, der den Kopf des Gottes in seinem Schoß barg.
Der Priester schaute auf. Er lächelte, aber Siri erkannte die Tränen in seinen Augen.
» Das verstehe ich nicht?«, sagte sie und sah Susebron an.
» Lichtsang hat sein Leben hingegeben, um mich zu heilen«, erklärte der Gottkönig. » Irgendwie hat er gewusst, dass ich keine Zunge hatte.«
» Die Zurückgekehrten können eine einzige Person heilen«, sagte der Priester und schaute hinab auf seinen Gott. » Es ist ihre Pflicht zu entscheiden, wen sie heilen und wann es geschehen soll. Manche behaupten, sie kommen nur zu diesem einen Zweck zurück– um demjenigen das Leben zu geben, der es unbedingt benötigt.«
» Ich habe ihn nicht gekannt«, sagte Susebron.
» Er war ein wirklich guter Mann«, meinte Siri.
» Das ist mir inzwischen klar. Obwohl ich nie mit ihm geredet habe, ist er gestorben, damit ich leben kann.«
Der Priester lächelte. » Das Erstaunliche daran ist, dass Lichtsang es gleich zweimal getan hat«, sagte er.
Er hat zu mir gesagt, dass ich mich am Ende nicht auf ihn verlassen kann, dachte Siri und lächelte glücklich und traurig zugleich. Ich vermute, er hat mich belogen. Das sieht ihm ähnlich.
» Komm«, sagte Susebron. » Wir versammeln den Rest meiner Priester. Wir müssen einen Weg finden, unsere Armeen davon abzuhalten, dein Volk zu vernichten.«
» Es muss einen Weg geben, Vascher«, sagte Vivenna. Sie kniete neben ihm.
Er versuchte seinen Zorn und seine Wut auf sich selbst herunterzuschlucken. Er war in die Stadt gekommen, um einen Krieg zu verhindern. Wieder einmal hatte er versagt.
» Vierzigtausend Leblose«, sagte er und hämmerte mit der Faust auf den Boden. » So viele kann ich nicht aufhalten. Nicht einmal mithilfe Nachtbluts und mit jedem Hauch aller Einwohner dieser Stadt. Selbst wenn ich mit ihnen Schritt halten könnte, würde irgendwann einer von ihnen einen glücklichen Schlag landen und mich töten.«
» Es muss einen Weg geben«, wiederholte Vivenna.
Es muss einen Weg geben.
» Das habe ich auch einmal geglaubt«, sagte er und stützte den Kopf in die Hände. » Ich wollte es aufhalten. Aber als ich begriffen hatte, was geschieht, war es schon zu spät. Die Dinge hatten ein Eigenleben angenommen.«
» Wovon redest du?«
» Von den Vielkriegen«, flüsterte
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