Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
Denth.
» Es sei denn, Ihr zählt die Haustiere mit«, warf Tonk Fah ein und balancierte den Vogel auf seinem Fuß.
» Sie kommt bald zurück«, sagte Denth. » Sie war letzte Nacht hier, aber Ihr habt geschlafen. Wie dem auch sei, eigentlich läuft unser Vertrag noch mindestens ein paar Monate, und die Hälfte des Geldes haben wir im Voraus bekommen. Selbst wenn Ihr Euch entscheiden solltet, den Rest nicht mehr zu bezahlen, schulden wir Euch bestimmt noch einige Wochen.«
Tonk Fah nickte. » Falls Ihr also jemanden tot sehen wollt, wäre jetzt der passende Zeitpunkt dafür.«
Vivenna starrte ihn an, und Tonk Fah kicherte.
» Ihr müsst Euch an unseren schrecklichen Humor gewöhnen, Prinzessin«, meinte Denth. » Vorausgesetzt natürlich, dass Ihr uns weiterbeschäftigt.«
» Das habe ich doch schon angedeutet«, sagte Vivenna.
» In Ordnung«, erwiderte Denth. » Was sollen wir für Euch tun? Warum seid Ihr überhaupt in diese Stadt gekommen?«
Vivenna antwortete nicht sofort darauf. Es hat keinen Zweck, es zu verheimlichen, dachte sie. Das gefährlichste Geheimnis – meine Identität – kennen sie bereits. » Ich bin hier, um meine Schwester zu retten«, sagte sie. » Ich will sie aus dem Palast des Gottkönigs herausschmuggeln und dafür sorgen, dass sie unverletzt nach Idris zurückkehrt.«
Die Söldner schwiegen zunächst. Schließlich stieß Tonk Fah einen Pfiff aus. » Gewagt«, bemerkte er, während sein Papagei den Pfiff nachahmte.
» Sie ist tatsächlich eine Prinzessin«, sagte Denth. » Solche Personen neigen dazu, gewagte Dinge zu tun.«
» Siri ist nicht in der Lage, in Hallandren zurechtzukommen«, erklärte Vivenna und beugte sich vor. » Mein Vater hat sie an meiner Stelle hergeschickt, aber ich ertrage die Vorstellung nicht, dass sie dem Gottkönig als Frau dienen soll. Wenn wir sie uns einfach schnappen und von hier fliehen, wird Hallandren vermutlich mein Heimatland angreifen. Wir müssen dafür sorgen, dass sie auf eine Art und Weise verschwindet, mit der mein Volk nicht in Verbindung gebracht werden kann. Wenn nötig, können wir mich gegen meine Schwester austauschen.«
Denth kratzte sich am Kopf.
» Also?«, fragte Vivenna.
» Das ist ein bisschen außerhalb unserer Fähigkeiten«, gestand Denth ein.
» Normalerweise schlagen wir nur zu«, meinte Tonk Fah.
Denth nickte. » Oder wir kümmern uns darum, dass die Schläge anderer nicht treffen. Lemex hat uns auch als seine Leibwächter beschäftigt.«
» Warum hat er nicht einfach ein paar idrische Soldaten zu seinem Schutz angefordert?«
Denth und Tonk Fah tauschten einen raschen Blick aus.
» Wie soll ich es nur sagen?«, meinte Denth. » Prinzessin, Euer Lemex hat Geld Eures Königs veruntreut und sich damit Nachschub an Hauch gekauft.«
» Lemex war ein Vaterlandsfreund!«, erwiderte Vivenna sofort.
» Das mag sein«, sagte Denth. » Aber selbst ein guter Priester nimmt sich manchmal ein paar Münzen aus der Truhe, wenn ich so sagen darf. Ich glaube, Euer Lemex war der Ansicht, dass ihn Muskeln besser schützen als Vaterlandsliebe.«
Vivenna sagte nichts darauf. Es fiel ihr schwer, sich den nachdenklichen, klugen und leidenschaftlichen Mann aus Lemex’ Briefen als Dieb vorzustellen. Doch es war auch schwer vorstellbar, dass Lemex so viel Hauch in sich gehabt hatte.
Aber Veruntreuung? Hatte er wirklich Idris bestohlen?
» Als Söldner lernt man eine Menge«, sagte Denth, lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. » Man kämpft gegen so viele Menschen, dass man allmählich glaubt, sie zu verstehen. Man lebt länger, wenn man ihre Reaktionen vorhersehen kann. Die Menschen sind nicht einfach. Nicht einmal die Idrier.«
» Langweilig, ja«, fügte Tonk Fah hinzu. » Aber nicht einfach.«
» Euer Lemex war in ein paar sehr große Sachen verwickelt«, meinte Denth. » Ich glaube wirklich, dass er sein Vaterland geliebt hat. In dieser Stadt gibt es eine Menge Intrigen, Prinzessin. Einige der Projekte, an denen Lemex gearbeitet hatte, waren von sehr großer Reichweite und nur zum Besten von Idris, das kann ich Euch versichern. Ich glaube, er war bloß der Meinung, dass er für seine Vaterlandsliebe auch etwas zurückbekommen sollte.«
» Eigentlich war er ein liebenswerter Knabe«, sagte Tonk Fah. » Er wollte Euren Vater nicht belästigen. Also hat er sich einfach selbst eine kleine Gehaltserhöhung spendiert und in seinen Berichten behauptet, seine Kosten lägen viel höher, als sie es in
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