Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
dass uns jemand aufhält.«
» Ach, Denth«, sagte Tonk Fah, » dazu muss man mindestens fünfzig Hauche besitzen! Und das ist eine schrecklich hohe Zahl.«
Vivenna dachte nach. » Und… wie viele Hauche habe ich?«
» Ungefähr fünfhundert«, antwortete Denth. » Zumindest hat Lemex das von sich behauptet. Ich bin geneigt, ihm zu glauben. Schließlich bringt Ihr sogar den Teppich zum Leuchten.«
Sie schaute hinunter und bemerkte zum ersten Mal, dass sie einen Fleck aus verstärkter Farbe um sich herum geschaffen hatte. Er war nicht sehr hell, aber eindeutig sichtbar.
» Ihr solltet besser sofort aufbrechen, Prinzessin«, sagte Denth und ging die Treppe hoch. » Sonst kommt Ihr noch zu spät.«
Siri saß nervös da und war vor Aufregung blond geworden. Sie versuchte sich zu beherrschen, während sie von den Dienerinnen frisiert wurde. Ihr Hochzeitsjubel– diese Bezeichnung fand sie sehr unangemessen– war endlich vorbei, und es war Zeit für ihre Präsentation vor den Göttern.
Vermutlich war sie einfach nur zu aufgeregt. Eigentlich war die Zeit recht schnell vergangen. Doch die Aussicht darauf, den Palast verlassen zu dürfen– wenn auch nur bis in den Hof–, verursachte ihr ein Schwindelgefühl. Endlich würde sie mit jemand anderem als nur mit den Priestern, Schreibern und Dienerinnen reden. Sie würde einige der Götter treffen, von denen sie schon so viel gehört hatte.
Außerdem würde er bei ihrer Vorstellung anwesend sein. Sie hatte den Gottkönig bisher nur während ihrer nächtlichen Blickkämpfe gesehen, und da war er in Schatten gehüllt gewesen. Heute würde sie ihn zum ersten Mal im Licht betrachten.
Sie lächelte und schaute ihr Ebenbild in dem großen Spiegel an. Die Dienerinnen hatten ihre Haare in einem erstaunlich komplizierten Stil frisiert, einen Teil geflochten und dem Rest erlaubt, frei herunterzufallen. An die Zöpfe hatten sie mehrere Bänder geknotet und diese auch in ihr frei wallendes Haar gesteckt. Die Bänder schimmerten, als sie den Kopf drehte. Ihre Familie wäre über die prahlerischen Farben entsetzt gewesen. Siri grinste schelmisch und veränderte ihr Haar zu einem helleren Goldblond, damit es sich besser von den Bändern abhob.
Die Dienerinnen lächelten zustimmend, und einige stießen bei der Verwandlung ein leises » Oh« aus. Siri lehnte sich zurück und legte die Hände in den Schoß, während sie sich die Kleiderauswahl für ihr Erscheinen bei Hofe anschaute. Die Roben waren reich geschmückt– nicht so raffiniert wie diejenigen, die sie im Schlafgemach trug, aber weitaus eleganter als ihre alltägliche Kleidung.
Heute war Rot die vorherrschende Farbe für die Dienerinnen und Priester. Deshalb wollte Siri etwas anderes haben. Schließlich entschied sie sich für Gold und deutete auf die beiden Roben in dieser Farbe, damit die Frauen sie herbeibrachten und Siri sie näher in Augenschein nehmen konnte. Währenddessen holten die Frauen drei weitere goldene Roben aus einem Rollschrank im Korridor.
Siri seufzte. Offenbar waren sie entschlossen, ihr die Wahl nicht einfach zu machen. Sie hasste es, jeden Tag so viele Kleider für immer verschwinden zu sehen. Wenn sie nur…
Sie hielt inne. » Könnte ich sie alle anprobieren?«
Die Dienerinnen sahen sich an und waren ein wenig verwirrt. Sie deuteten mit dem Kopf auf Siri, und ihre Mienen überbrachten eine einfache Botschaft. Natürlich könnt Ihr das. Siri kam sich dumm vor, aber in Idris hatte sie nie die Auswahl gehabt. Sie lächelte, stand auf und ließ sich ihr Kleid abnehmen und dann die erste Robe anlegen, wobei sie vorsichtig darauf bedacht war, ihr Haar nicht in Unordnung zu bringen. Siri betrachtete sich und bemerkte, dass der Ausschnitt ziemlich tief war. Sie war bereit, mit Farben zu protzen, aber die nackte Haut, welche die Hallandrenerinnen zur Schau stellten, empfand sie immer noch als skandalös.
Sie nickte und ließ sich das Kleid wieder ausziehen. Dann streiften ihr die Dienerinnen das nächste über– ein zweiteiliges mit einem gesonderten Korsett. Sobald sie fertig waren, betrachtete sich Siri im Spiegel. Es gefiel ihr, aber sie wollte auch die anderen anprobieren. Nachdem sie sich einmal um sich selbst gedreht und auch den Rücken begutachtet hatte, nickte sie und ging zum nächsten über.
Es war frivol. Aber warum sollte es sie scheren? Ihr Vater war nicht da und konnte sie nicht mit seinen ernsten, missbilligenden Blicken anstarren. Und Vivenna war ein ganzes Königreich von ihr
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