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Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Titel: Sturmkönige 02 - Wunschkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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bringen.« Er ergriff den oberen Rand ihrer Bettdecke und schob sie bis zu ihren Waden hinauf. So saß sie nun da und kam sich ein wenig albern vor, während der mächtigste Mann der Welt nach Worten suchte.
    »Ich brauche deine Hilfe«, sagte er schließlich.
    »Ihr macht Euch über mich lustig.«
    Der Kalif lächelte noch immer nicht, aber in seinen müden Augen erschien ein Funke Humor. Sie hoffte, dass es das war. Vielleicht auch Ungeduld.
    »Was kann ich tun?«, fragte sie. »Ich bin Eure Dienerin und Ihr mein Gebieter.« Demutsvoll senkte sie das Haupt und wartete, bis er sie erneut ansprach.
    Doch schon einen Atemzug später spürte sie seine kühlen Finger unter ihrem Kinn, als er es sanft anhob und einmal mehr ihren Blick kreuzte. »Noch niemals habe ich Augen wie deine gesehen«, sagte er. »Waren sie von Geburt an so weiß, oder ist das eine Wirkung des Gifts?«
    »Ich bin mit ihnen geboren worden, hat man mir gesagt.«
    »Sehr ungewöhnlich.« Er klang aufrichtig fasziniert. Dann blinzelt er kurz, als erwache er aus tiefer Nachdenklichkeit. »Es ist an mir, mich bei dir zu entschuldigen. Du bist Gast in meinem Palast, und ich bin verantwortlich für deine Sicherheit. Was heute Nacht geschehen ist, ist bedauerlich.«
    »Noch mehr für jene, die Euren Feinden zum Opfer gefallen sind.«
    Harun al-Raschid nickte. Die Federn auf seinem purpurnen Turban wippten. »Zwölf Männer sind diesmal umgekommen, und sechs sind schwer verletzt. Ich fürchte, wir werden noch mehr verlieren.«
    »Diesmal?«, wiederholte sie.
    »Das war nicht das erste Mal, dass uns die Dschinnfürsten ihre Kali-Assassinen auf den Hals gehetzt haben. Der Angriff heute Nacht war ein Fehlschlag. Aber das war nicht immer so.«
    Sie wich seinem Blick jetzt nicht mehr aus, auch wenn sie die Erschöpfung und Schwermut darin unangenehm berührten. Sie wollte diesen Einblick in seine Seele nicht, wollte nicht, dass auch nur der Anschein von Vertrauen zwischen ihnen entstand. Nach wie vor verstand sie nicht, was er eigentlich hier suchte.
    »Ich weiß, es ist nicht an mir, Euch Fragen zu stellen, Herr, aber Ihr -«
    »Frag nur«, unterbrach er sie.
    »Ihr sitzt« – fast hätte sie gesund gesagt –, »leibhaftig vor mir, und doch sprecht Ihr davon, dass nicht jeder ihrer Angriffe ein Fehlschlag war.« Herrje, sie hasste die geschraubte Ausdrucksweise bei Hof. Sie war damit aufgewachsen, aber gerade deshalb kostete es sie solche Überwindung, sich erneut auf die Sprache der Hochgestellten einzulassen.
    »Das war keine Frage«, bemerkte er. »Aber doch eine zutreffende Feststellung.«
    Komm zur Sache, hätte sie ihn am liebsten angefahren. Was zum Teufel willst du von mir?
    Stattdessen schwieg sie. Wartete ab.
    Er legte den Kopf schräg und deutete auf die linke Seite seines sehnigen Halses. Im ersten Moment hielt sie die feine dunkle Linie für eine Narbe. Dann erkannte sie, dass es seine Schlagader war. Sie zeichnete sich deutlich unter der Haut ab, nicht bläulich, sondern schwarz.
    »Du bist nicht die Erste, die versucht hat, mich zu vergiften. Nur war dein Vorgänger erfolgreicher.«
    Sie musterte sein hageres Gesicht, die tiefen Wangen und blutleeren Lippen. Seine Haut hatte eine ungesunde Färbung, und seine Augen waren blutunterlaufen, seit sie ihm zum ersten Mal begegnet war.
    »Khalis gibt sich große Mühe, alle Welt glauben zu lassen, dass es nur eine vorübergehende Krankheit sei. Die Wahrheit aber ist, dass vor einigen Monaten einer der Kali-Assassinen bis zu mir vorgedrungen ist. Eine seiner Klingen hat meinen Arm geritzt, nur ein lächerlicher Schnitt, bevor meine Leibgarde das Biest erschlagen hat. Aber seitdem fließt das Gift der Dschinnfürsten durch meinen Körper, und keine Arznei kann es austreiben.« Sein Blick löste sich von ihr und sah einen Moment lang den wehenden Seidenvorhängen bei ihrem Tanz auf den Morgenwinden zu. »Khalis hat einen Weg gefunden, zu verhindern, dass es mich umbringt. Aber die Schmerzen, die Schwächezustände, die Erniedrigungen, die ich über mich ergehen lassen muss… Mein Körper ist der eines sehr alten Mannes, im Innern noch mehr als äußerlich. Ich will dich nicht mit den unappetitlichen Einzelheiten quälen, aber glaub mir, ich bin ein Wrack und jederzeit auf die Hilfe meiner Diener angewiesen.«
    Jetzt erkannte sie, warum er auf ihrer Bettkante saß – nicht, weil es ihm an Respekt vor ihr mangelte, sondern weil er sich mit letzter Kraft in ihr Gemach geschleppt hatte und sich nicht

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