Sturmkönige 02 - Wunschkrieg
leiser, sein Tonfall noch bedrohlicher. »Was willst du von mir?«
»Dein Geld?«
Er stieß ein bitteres Lachen aus. »Sicher.«
»Vielleicht kann ja dein guter Freund, der Kaufmann, dir wieder mal aus der Patsche helfen.« Sie sah ihn jetzt mit aufgesetzter Unschuldsmiene an, die riesigen Augen rund und hell inmitten ihres dunklen Gesichts.
»Und was bekäme ich für sein Geld?«, fragte er lauernd.
»Frag nicht was, frag wen!« Sie strahlte ihn an, ungeachtet des Messers, das er noch immer in der Hand hielt. »Wie wär’s mit einem Mädchen namens Sabatea?«
Vielleicht hätte er es kommen sehen müssen. Er kannte, abgesehen vom alten Kabir und dem Kaufmann, niemanden in ganz Bagdad, der von Junis und den Sturmkönigen wusste. Trotzdem traf ihn ihr Name wie eine Ohrfeige.
»Oh«, entfuhr es Ifranji mit falschem Mitgefühl. »Das hast du nicht erwartet, was?«
»Wo ist sie?«
»Erst mein Messer.«
»Was hast du mit ihr gemacht?«
Ifranji streckte die Hand aus. »Bitte.«
Sie würde ihn nicht töten, das wusste er jetzt. Sie wollte etwas von ihm. Und das war nicht sein Leben.
Er drehte das Messer und legte den Griff auf ihre Handfläche.
»Wo?«, fragte er noch einmal.
»In Sicherheit. Im Augenblick, jedenfalls. Solange ich heil zurückkomme, und zwar noch vor dem Morgengrauen.«
»Bring mich zu ihr.« Er fragte nicht, wie Sabatea an die Schwestern der Pfauen geraten war, weil es keine Rolle spielte. Entweder Ifranji belog ihn – dann war er drauf und dran, tatsächlich auf sie hereinzufallen –, oder aber Sabatea war wirklich bei ihnen, und dann musste er zu ihr, egal auf welche Weise.
Ifranjis Augen unter dem verfilzten Wust aus Zöpfen musterten ihn. Ihre Hand berührte die seine, nur ein flüchtiger Kontakt.
»Komm mit«, hauchte sie und lachte.
»Wir sind bald da.« Ifranji blieb stehen und zog ein Stück Stoff unter ihrem Wams hervor. »Hier. Verbinde dir damit die Augen… das eine Auge.«
Es gab viele Gründe, die dagegensprachen. Aber in Samarkand hatte er genügend Diebe kennen gelernt, um zu wissen, dass es kaum einen größeren Frevel gab, als einen Fremden in das Versteck einer Bande zu führen. Er hatte die Wahl, sich darauf einzulassen, oder Sabatea aufzugeben. Widerstrebend nahm er das Tuch und wickelte es sich um den Kopf. Es roch nach dem Wildleder ihres Oberteils.
Erst jetzt wurde ihm klar, wie sehr er sich bereits daran gewöhnt hatte, mit nur einem Auge zu sehen. Die völlige Blindheit, die ihn nun umfing, fühlte sich tausendmal schlimmer an.
»Kommt raus«, rief Ifranji.
Leichtfüßige Schritte näherten sich. Mehrere Frauen, vermutete er.
»Das ist er?«, fragte eine zweifelnd. »Womit sollte der wohl das Lösegeld bezahlen?«
»Er steht unter dem Schutz des Stummen Kaufmanns. Er wird für ihn bezahlen.«
»Oder uns umbringen lassen«, bemerkte eine andere Diebin.
Berechtigte Zweifel, dachte Tarik. Das hätte ihm Mut machen müssen, aber tatsächlich führte es ihm nur die Alternative vor Augen: dass sie Sabatea und ihn sicherheitshalber töten würden. Besser, er sorgte schleunigst dafür, dass ihnen Ifranjis Plan Erfolg versprechend erschien.
»Ich kann beschaffen, was ihr verlangt«, sagte er blind in die Runde. Er fühlte ihre prüfenden Blicke auf sich, spürte mehrere Diebinnen in seiner unmittelbaren Nähe. Sie rochen nicht gut, aber darin unterschieden sie sich kaum von ihm selbst.
»Und wenn er lügt?«, fragte eine.
»Dann sterben sie beide«, erwiderte Ifranji.
Jemand packte ihn am Arm und führte ihn zwischen den anderen hindurch. Mehrfach bogen sie ab, ehe man ihm deutlich machte, er möge stehen bleiben.
»Vor dir ist eine Leiter«, sagte Ifranji. »Gib dir Mühe beim Raufklettern.«
»Mit verbundenen Augen?«
»Wenn wir im Inneren sind, kannst du die Binde abnehmen. Nicht vorher.«
Er ließ zu, dass sie seine Hände an hölzerne Sprossen legte. Jemand kletterte vorneweg, eine weitere Diebin, eine andere unmittelbar hinter ihm, als er vorsichtig aufwärtsstieg. Es war nicht weit, höchstens ein paar Meter, doch weil er nichts sehen konnte, fühlte es sich viel höher an. Jeder Orientierungssinn war ihm abhandengekommen.
Tastend erreichte er das obere Ende der Leiter. Der Geruch um ihn herum änderte sich, wurde stickiger. Irgendwo brannte ein Feuer.
»Nimm sie jetzt ab«, rief Ifranji von hinten. »Aber dreh dich nicht um. Schau nur nach vorn.«
Er befand sich auf einer Fensterkante, zwischen zwei Vogelstatuen aus Stein.
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