Sturmkönige 02 - Wunschkrieg
zu holen und dem Pferd zu folgen. Schon jetzt war es mehr als einen Steinwurf entfernt, und es wurde noch schneller, während es hinauf in die Dunkelheit preschte, steil einen unsichtbaren Hang aus Wind und Nacht hinauf. Es verließ den Fackelschein und wurde eins mit der Schwärze des Himmels.
Tarik starrte ihm lange hinterher. Verwirrt und verärgert über sich selbst stand er da, keine Handbreit von der Kante entfernt.
»Tarik?«
Kabir kletterte hinter ihm aus der Luke, die knochigen Hände an den Enden der Leiter. Er hatte nichts von alldem mit angesehen.
»Ein Bote war da«, sagte er. »Mit einer Nachricht.«
Tarik nickte benommen. Das Weiß des Zauberpferdes schimmerte ein letztes Mal auf und erlosch.
»Der Stumme Kaufmann hat etwas für dich«, sagte Kabir. »Einen Namen.«
Die Warnung
Bei seinem zweiten Besuch im Badehaus musste er nicht nach dem Kaufmann suchen. Ein verschleiertes Mädchen erwartete ihn vor dem Haupteingang und führte ihn vorbei an nächtlichen Gästen, durch Schwaden aus Wasserdampf, hinab in die Tiefen der Tempelfundamente.
Er war reizbar und wütend auf sich selbst. Während seines Weges durch das Diebesviertel war es ihm schwerer denn je gefallen, den Lockungen der Tavernen zu widerstehen.
Das Mädchen ließ ihn das letzte Stück alleine gehen. »Folge den Vogelstimmen«, raunte es hinter dem Schleier und huschte davon, zurück an die Oberfläche.
Er trat durch den alten Torbogen, mitten in das zirpende Konzert der Nachtigallen. Der Geruch von Federn und Vogelkot raubte ihm fast den Atem. Er bekam Kopfschmerzen von dem Getriller und Gezwitscher.
Der Stumme Kaufmann bemerkte ihn, stieß einen Pfiff aus – und augenblicklich verstummten die Vogelgesänge. Ein letztes Scharren und Rascheln aus den Käfigen, dann herrschte Ruhe.
»Danke«, sagte Tarik.
»Wofür?«
»Dass sie die Schnäbel halten.«
Eine schwarze Braue des Stummen Kaufmanns ruckte nach oben. »Du magst keine Tiere?«
»Für heute Nacht hab ich genug von ihnen.«
Der alte Mann musterte ihn nachdenklich, dann sagte er: »Ich habe etwas herausgefunden. Über den Ring des Dritten Wunsches. Es ist vor allen Dingen eine Warnung.«
»Dein Bote hat etwas von einem Namen gesagt.«
»Auch das. Aber gerade er sollte dich davon abhalten, deine Nase noch tiefer in diese Sache zu stecken.« Der Kaufmann stellte einen Futtersack ab und trat vor einen der Käfige. Durch das Weidengitter blickte ihn eine Nachtigall an, die Augen so schwarz wie Pechtropfen. »Weißt du, was ich an diesen Vögeln schätze? Ich kann sie für immer verstummen lassen, wenn ich möchte. Ein einziges, ganz bestimmtes Wort reicht aus, und sie singen nie wieder. So habe ich es ihnen beigebracht.«
»Klingt nach Magie.«
Der Stumme Kaufmann lachte leise. »Ein wenig, vielleicht.«
Tarik trat an seine Seite. »Hör zu, ich weiß, ich komme als Bittsteller zu dir. Es ist erbärmlich, deine Hilfe zu fordern, nur weil du meinen Vater gekannt hast – das ist mir klar. Aber es gibt eine Grenze, die ich nicht überschreiten werde. Ich werde nicht betteln. Also sag mir, was du zu sagen hast, oder lass es bleiben. Deine Vögel haben jedenfalls nichts damit zu tun.«
Je eher Tarik erfuhr, vor was sich Amaryllis derart gefürchtet hatte, desto besser. Es war nicht damit getan, dass er den verstümmelten Leib des Narbennarren ins Feuer geworfen hatte, das wusste er jetzt. Falls das Wissen über den Dritten Wunsch ihm eine Waffe gegen Amaryllis bot – oder gegen das, was in Tarik von ihm übrig geblieben war –, dann musste er schleunigst die Wahrheit herausfinden.
»Der Ring des Dritten Wunsches«, sagte der Stumme Kaufmann, »wurde von einflussreichen Persönlichkeiten gegründet, das wussten wir bereits. Wer sonst hätte es sich leisten können, Ifritjäger aus Byzanz anzuheuern? Aber mir war nicht klar, wie einflussreich diese Leute sind.«
»Und du glaubst, deshalb sollte ich die Finger davon lassen?«
Der Kaufmann nickte. »Es war nicht leicht, die Spuren meiner Nachforschungen zu verwischen. Ich musste Fragen stellen, auch Männern, von denen ich nicht sicher sein konnte, dass sie später Stillschweigen bewahren würden. «
Das überraschte Tarik nicht. Er hatte nie bezweifelt, dass Blut an den Fingern des Kaufmanns klebte. Dieser Mann war sehr viel mehr als ein kauziger Vogelzüchter, der dann und wann ein paar halbseidene Geschäfte mit den Diebesgilden machte. Wenn er von einflussreichen Persönlichkeiten sprach, die selbst ihm
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